Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Titel: Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
sein, statt so viel Abscheu in dir anzuhäufen?«
    »Es ist so ungerecht! Warum hat es mich überhaupt getroffen? Warum musste ich dieses Leid erfahren und die Härte
dieses Lebens ganz unten im Schmutz der Gesellschaft? Was habe ich getan, um das zu verdienen?«
    Gret schob den Kessel von sich, legte die Scheuerbürste beiseite und wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab.
    »Es gibt im Leben nicht nur falsche Antworten. Es gibt auch falsche Fragen. Und darüber hinaus so viele, die gar nicht erst gestellt werden. Wenn du fragst, warum es dich getroffen und in ein Frauenhaus verschlagen hat, dann könntest du dich auch fragen, warum es mich oder Jeanne und die anderen getroffen hat. Haben wir dieses Schicksal im Gegensatz zu dir verdient? Nur weil wir nicht das Glück hatten, unter einem mächtigen Vater geboren worden zu sein? Weil wir Sünderinnen sind, schon von klein an? Weil wir es verdient haben, bereits im Elend geboren worden zu sein?«
    »Nein! So meine ich es nicht«, wehrte Elisabeth ab. »Niemand wird sündig geboren oder hat so ein schlimmes Los verdient.«
    »Und doch gibt es mehr Mädchen und Frauen auf dieser Welt, die dies Tag um Tag erdulden müssen, als andere, die sich unter der schützenden Hand der Mächtigen eines satten, warmen Daseins erfreuen können. Ohne Angst und Sorge um ihre Zukunft.«
    »Du hast wie immer recht, Gret. Heißt das, ich darf nicht mit dem Schicksal hadern? Ich muss stets alles demütig annehmen und mir sagen, ich habe es verdient, weil es so viele gibt, denen es noch schlechter geht? Hat Gott das so gewollt?«
    Gret spielte mit der Bürste, die sie auf den Tisch gelegt hatte. »Was Gott sich bei seinem Plan denkt, weiß ich nicht. Ich bin kein Pfaffe, und die, die sich Kirchenmänner nennen, denen kann man meist kein Wort glauben. Ich jedenfalls habe schon zu viele lügen und in meinen Armen stöhnen gehört. Doch wenn du meine geringe Meinung hören willst, so sage ich: Ja, du musst dein Schicksal annehmen – ob demütig oder
nicht –, aber du darfst dagegen ankämpfen, wenn der Platz, an den du gestellt wurdest, dir nicht gefällt.«
    »Das habe ich getan!«
    Gret nickte. »Ja, und deshalb hast du die Wahrheit gefunden und solltest dich nun darüber freuen, dass du die Prüfung bestanden hast.«
    »Tue ich das denn nicht?«
    Gret wiegte den Kopf. »Nur du alleine kennst deine innersten Gefühle. Mir kommt es so vor, als würdest du häufiger mit dem, was vergangen ist, hadern. Es hat dich klein und hart statt groß und stolz werden lassen.«
    »Kann ich etwas für meine bösen Träume? In manchen Nächten drückt mir der Alb auf meine Brust und nimmt mir den Atem. Dann bin ich wieder zurück im Frauenhaus und rieche diese Mischung aus ungewaschenen Körpern und geiler Lust, die mich so oft würgen ließ.«
    »Wir alle haben schlechte Träume, doch du lässt es zu, dass sie deine Sinne trüben und alles, was schön ist, in den Schmutz werfen. Lass das nicht zu! Sei wach und lass deine Sinne nicht von schlechten Erfahrungen trüben. Das meine ich, wenn ich sage, du kannst an deinem Schicksal wachsen.«
    Elisabeth sah die Magd verwirrt an. »Ich verstehe nicht, was du meinst.«
    »Deine unschönen Erfahrungen flüstern dir ein, dass es zwischen Männern und Frauen nur Zwang und Unterwerfung geben kann. Sie sagen dir, Berührungen sind unangenehm, und die Vereinigung erzeugt für den Mann Erleichterung, für die Frau aber nur Schmerz und Ekel. Aber sie muss keine Erniedrigung sein! Du kannst dir nur nicht vorstellen, dass sie von beiden ersehnt und freudig begangen werden kann.« Elisabeth starrte Gret mit zunehmendem Befremden an.
    »Ein Kuss, eine Hand auf der Haut, zwei nackte Körper beieinander. Es kann einen die Welt vergessen lassen. Der
Körper kennt noch einen anderen Hunger als den nach Speise und Trank, und diesen stillt die Vereinigung in einem warmen, wilden Strom, wenn es der richtige Mann ist, der diese Gefühle erweckt und dann bereit ist, sie zu stillen. Es gibt nicht nur eine Liebe des Geistes. Die Liebe betrifft auch den Körper.«
    Elisabeth schüttelte den Kopf. »Ich höre deine Worte und kann sie dennoch nicht verstehen. Ich weiß nur, dass es Sünde ist, wenn die Körper sich vereinen, ohne dass sie im Bund der Ehe gesegnet wurden.«
    Gret schnaubte abfällig. »Dann werde ich es gelegentlich in meiner Beichte erwähnen. Mag die Kirche so denken oder zumindest die Pfaffen es dem einfachen Volk so predigen – für mich ist die fleischliche

Weitere Kostenlose Bücher