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Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Titel: Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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nach ihr aus, und Elisabeth bemerkte entsetzt, dass sie nur ein dünnes Hemd trug, das kaum ihre Knie verhüllte. Entschlossen trat der Mann auf sie zu und zog ihr das Hemd über den Kopf. Sein Blick wanderte über ihren nackten Körper und
ließ sie schaudern. Dann hob er die Hand und legte sie auf ihren Bauch. Langsam strich er über ihre Haut, die zu brennen schien, wo er sie berührte. Als er ihre Brust umschloss, stöhnte Elisabeth im Schlaf. Meister Thomas lächelte sie an und öffnete die Lippen. Dann küsste er sie, dass Elisabeth dachte, ihr Herz müsse stehen bleiben.
     
    »Ich wünsche einen guten Morgen.« Elisabeth trat mit gesenktem Blick ein und setzte sich schnell auf ihren Hocker, ohne den Apotheker anzusehen, der wie immer auf dem Platz gegenüber saß. Gret erhob sich bereits, und auch ihr Bruder verschwand nach einigen Augenblicken mit einer gemurmelten Entschuldigung. Jeanne war noch in Elisabeths Gemach beschäftigt, und auch Sebastian hatte sie heute noch nicht gesehen. Sie war mit Meister Thomas alleine in der Stube. Hastig zog sie sich eine Schale heran und begann ihre Milchsuppe zu löffeln.
    Der Apotheker schwieg, doch sie konnte seinen Blick auf sich spüren. »Ist etwas nicht in Ordnung?«, brach er die Stille, als sie ihre Schale schon beinahe geleert hatte.
    Elisabeth sah ihn noch immer nicht an. »Nein, ich hatte nur eine kleine Auseinandersetzung mit Gret, aber ich habe die Missverständnisse heute Nacht ausgeräumt.«
    »Und Euer Bruder? Ich weiß, es geht mich nichts an, aber mir scheint, auch mit ihm wäre ein klärendes Gespräch fällig. Er kommt mir recht verstimmt vor.«
    »Ich habe gehofft, es würde sich von alleine richten.«
    »Das tut es selten. Es wird nur begraben, und man glaubt es vergessen, doch dann kommt es unverhofft wieder empor und ist größer als zuvor. In der Dunkelheit des Verdrängens hat es sich an Unstimmigkeiten und Missverständnissen genährt und macht uns nun noch mehr Angst als zu Beginn.«
    Elisabeth seufzte. »Ich habe verstanden. Ja, ich werde mit ihm reden und, wenn es nötig ist, mich entschuldigen, wobei ich finde, er hat eigentlich kein Recht, mir zu zürnen.«
    Entwaffnend hob Meister Thomas die Hände. »Sprecht mit ihm, das ist der Rat, den ich Euch geben möchte. Nichts ist so schlimm wie das Monstrum der Missverständnisse. Und wenn wir schon bei Missverständnissen sind und wie man sie unter Freunden ausräumt: Was ist zwischen uns vorgefallen, dass Ihr meinen Blick meidet?«
    Elisabeth zwang sich, ihn anzusehen, obwohl sie spürte, wie sich ihre Wangen röteten. »Es ist nichts, ich schwöre es Euch, Meister Thomas. Es ist gar nichts zwischen uns vorgefallen«, bekräftigte sie und fühlte bei den Worten eine seltsame Traurigkeit.
    Er betrachtete sie noch einige Augenblicke prüfend, dann lächelte er, wie er es schon so oft getan hatte. Dieses Mal jedoch fühlte Elisabeth ein seltsames Glimmen in ihrem Leib und war froh, dass sie saß, denn sonst wären ihr die Knie weich geworden.
    »Dann will ich Euch nicht weiter drängen, aber nur, wenn Ihr mir nach dem Mahl in meine Alchemistenküche folgt!«
    Die Küche. Die Strohmatratze in der Ecke. Die nackten Leiber im Lampenschein in Lust vereint. Elisabeth fühlte, dass sie schon wieder die Farbe wechselte. Wie aber sollte sie seinen Wunsch abschlagen, ohne Fragen hervorzurufen, die sie ganz sicher nicht beantworten wollte? Allein der Gedanke, über diesen Vorfall mit Meister Thomas zu sprechen, ließ sie die quälende Peinlichkeit spüren. Also musste sie nicken und lächeln und ihm versichern, dass sie ihm gern zur Hand ging. Mit ihm zusammenzuarbeiten, ab und zu seine Hand versehentlich zu berühren, wenn er ihr etwas reichte, seinen warmen Atem in ihrem Nacken zu spüren, wenn er sich vorbeugte, um zu sehen, ob sie seinen Anweisungen genau folgte.
    Nein, nein, nein – wie sollte sie es aushalten, so nah bei ihm zu sein, ohne zu schwanken? Was, wenn er ihre Gedanken erriet? Die Scham würde sie im Boden versinken lassen. Und doch begehrte sie nichts mehr, als ganz nah bei ihm zu
sein, allein in einem Zimmer. Nein, falsch: Wenn sie ehrlich zu sich wäre, müsste sie sich gestehen, dass sie noch mehr begehrte. Viel mehr!
    Sie rang um ein Lächeln. »Ich bin so weit. Dann lasst uns anfangen. Was werden wir heute zubereiten?« Sie erhob sich und verbarg die zitternden Hände hinter dem Rücken. Zum Glück schien Meister Thomas nichts zu bemerken. Er sprach bereits von den Zutaten, die sie

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