Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
wer Hand an mich legen darf und was dies kostet.«
Elisabeth keuchte. »Ach, so ist das. Du willst selber bestimmen, wer dich besteigt, den Preis dafür kassieren und mit niemandem mehr teilen müssen!«
Grets Augen verengten sich. »Das denkst du von mir? Ja? Tut es dir nun leid, dass du mich von der Eselswirtin freigekauft hast?«
»Ja, vielleicht war es ein Fehler, dass ich so naiv war zu glauben, Menschen könnten sich ändern«, zischte sie.
»Du meinst also, einmal eine dreckige Hure, immer eine Hure?«, gab Gret genauso kalt zurück.
»Wie gut, dass du es selbst aussprichst! Mich würgt es, wenn ich das Wort nur in den Mund nehme.«
»Das kann ich mir denken. Du warst schon immer zart besaitet, und deine Vorstellung vom Leben ist so vertrocknet wie der Körper einer alten Betschwester.«
»Ich verbiete dir, in diesem Ton mit mir zu sprechen!«, schrie Elisabeth. »Noch bist du meine Magd! Was sich allerdings schnell ändern könnte.«
»Ach ja? Hast du vor, mich zu Else zurückzuschicken? Bitte, tu dir keinen Zwang an. Sprich es aus, wenn es dir auf deiner so reinen Seele der Unschuld brennt.«
»Warum nicht? Ich habe den Eindruck, dass du dort eher hingehörst als in ein anständiges Bürgerhaus.« Elisabeth riss die Tür auf und stürmte mit Tränen des Zorns in den Augen hinaus.
Kapitel 19
E s war schon beinahe Mitternacht, doch Elisabeth fand keine Ruhe. Sie wartete, bis sie sicher war, dass Jeanne tief schlief, dann erhob sie sich und stieg zur Küche hinunter. Sie lauschte erst, ob sie nicht etwa wieder Stimmen und diese Geräusche hören würde, ehe sie die Tür zaghaft aufschob. Wie in der vorigen Nacht brannte eine Lampe, in deren Schein Gret vor dem Herd saß und einen Kupferkessel schrubbte. Die Magd sah nicht von ihrer Arbeit auf, obwohl sie das Öffnen der Tür sicher vernommen hatte. Mit kraftvollen, ja zornigen Bewegungen ließ sie die Bürste an der Kesselwand auf- und abfahren. Elisabeth fühlte sich so mutlos, dass sie sich am liebsten wortlos wieder zurückgezogen hätte. Wie feige! Sie zwang sich, in den Flammenschein vorzutreten. Je früher sie diese Sache aus der Welt schaffte, desto besser für alle Beteiligten.
Sie machte zwei Schritte vor und räusperte sich. Gret reagierte nicht. Noch immer war ihr Blick in den Kessel und auf die nun emsig kreisende Bürste gerichtet. Sie wollte es ihr also schwer machen. Elisabeth unterdrückte den aufkeimenden Unmut. Gret war im Recht, ob sie nun Magd war oder nicht. Elisabeth hatte sich ins Unrecht gesetzt und die Beherrschung verloren. Wie hatte ihr das nur passieren können? Und was für Worte hatte sie Gret ins Gesicht geschleudert! Sie spürte, wie die Erinnerung ihr Schamesröte ins Gesicht trieb.
»Es tut mir leid!«, rief sie aus.
Gret hob noch immer nicht den Blick. Ihre Bewegungen wurden eher noch zorniger. »Was tut dir leid? Dass du mich
aus dem Frauenhaus in dein Heim geholt hast? Dass du mich überhaupt kennenlernen musstest?«
»Nein! Dass ich dich mit bösen und ungerechten Worten angegriffen habe! Ich wollte dich nicht kränken und dir gegenüber nicht ungerecht sein. Ich weiß nicht, woher die Worte kamen, die mich einfach so überfluteten und aus mir herausdrängten, ohne dass ich ihnen Einhalt gebieten konnte. Ich schwöre dir, sie sind nicht wahr. Ich habe niemals bereut, dich und Jeanne freigekauft zu haben, und das werde ich auch nie, egal wohin das Leben uns noch führt. Ihr seid meine Freundinnen, die mir lieb und teuer sind. Und ich wollte es auch nicht missen, dich als einen wunderbaren Menschen kennengelernt zu haben. Natürlich wäre es mir lieber, wenn dies auf andere Weise möglich gewesen wäre, als euer schändliches Leben ein Jahr lang teilen zu müssen. Doch die Vergangenheit lässt sich nicht ändern. Die Schläge, die das Schicksal austeilt, müssen wir annehmen und an ihnen wachsen.«
Nun endlich hielt Gret inne und hob den Blick. »Bist du denn daran gewachsen?«
Diese Frage überraschte Elisabeth. »Ich weiß nicht. Ich denke schon.«
»Ich merke nicht viel davon. Vielleicht hat dich diese Erfahrung ja nur verbittert und blind gemacht«, widersprach Gret.
»Wie sollte es mich nicht verbittern, durch üble Machenschaften beinahe meines Lebens beraubt worden zu sein?«, ereiferte sich die Herrin.
»Wie du es sagst, beinahe! Du hast nicht nur deinen Körper und deine Seele behalten, du hast sogar eine zweite Chance bekommen, in dein Leben zurückzukehren. Ist das nicht ein Grund, dankbar zu
Weitere Kostenlose Bücher