Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
rechtfertigen würden, dreihundert Reiter auf seine Kosten zum Schutz der Waren anzuheuern. Er nutze nur die Gunst der Stunde, sich dieser Abordnung anzuschließen. Ihr Schutz galt also in erster Linie dem Domdechanten Reichard von Masbach und seinem Kapitular Friedrich Schoder und erst in zweiter Linie den beiden vollgeladenen Karren. Der Maultierwagen wurde von Gottbert geführt, der zweite Karren von Sebastian, während der Kärrner, dem dieser Wagen gehörte, neben ihm saß. Außerdem hatte Georg eine einfache Kutsche für seine Schwester besorgt. Er und Meister Thomas würden reiten. Auch die beiden Domherren reisten in einer Kutsche, die allerdings größer und viel prächtiger war als das alte Gefährt, das sich Elisabeth mit den beiden Mägden teilte.
Die dreihundert Begleiter des Zugs waren alle beritten und
bestanden aus einigen Dutzend Männern von Adel, unter anderem die siebenundzwanzig, die der Rat zum Schutz der Stadt für ein Jahr in Sold genommen hatte, außerdem einige Herren des Rats. Die meisten jedoch gehörten zu den Schützen der Bürgerwehr. In einem geradezu feierlichen Zug verließen sie die Stadt durch das Sandertor, querten die von zwei Wehrgängen gesicherte Brücke über den Graben und passierten das Turmtor des Vorwerks, das sie auf die Landstraße am Main führte. Die Räder der Kutsche, die eher einem Karren verwandt war, ratterten und holperten über den zerfurchten Weg.
»Es ist doch immer wieder eine Freude, über Land zu reisen«, spottete Gret, die nach einem besseren Halt suchte, um nicht bei jeder Unebenheit von einer Seite auf die andere geschleudert zu werden.
Elisabeth stützte sich an der einen Wand ab und klammerte sich mit der anderen Hand an die Kante der kaum gepolsterten Sitzfläche. Sie schien Gret nicht gehört zu haben. Nachdenklich starrte sie aus dem Fenster, durch das der Hufschlag der vielen Pferde zu ihnen hereinschallte.
»Ich frage mich, warum zwei Domherren mit so vielen Bewaffneten als Eskorte reisen, wenn sie nicht einmal das Land verlassen. Nach Ochsenfurt ist es von Würzburg aus nicht einmal eine Tagesreise!«
Jeanne hob die Schultern. »Das Land wird immer unsicherer. So viele Raubritter, bei denen der Bischof Schulden gemacht hat und die nun selbst sehen, wie sie das Geld bei den Bewohnern des Landes eintreiben. Dabei ist es ihnen gleichgültig, wen sie schätzen. Hauptsache, die Geisel ist wertvoll. Wie viel wären wohl ein Dechant und ein Domherr von Würzburg wert? Ich könnte mir schon vorstellen, dass es den ein oder anderen Ritter in Versuchung führen könnte, wüsste er von dieser Reise.«
Gret schüttelte den Kopf. »Nein, Elisabeth hat recht, das
erklärt nicht solch eine Reiterschar. Sie sind nur Domherren und keine Kaiser oder Könige, die stets mit großem Gefolge reisen.«
Elisabeth kaute auf ihrer Unterlippe. »Ja, mit großem Gefolge zu ihrem Schutz, aber auch um zu zeigen, dass sie der rechtmäßige Herr sind, dass sie Macht besitzen und notfalls auch mit Gewalt ihre Ansprüche durchsetzen können. Das könnte die Sache erklären.«
Nun sahen Gret und Jeanne sie fragend an. »Willst du uns das nicht genauer auseinandersetzen?«
»Es geht um das Domkapitel, das sich in zwei Parteien gespalten hat. Eigentlich hatten sie sich ja auf Albrecht als Pfleger geeinigt und darauf, dass er die Nachfolge seines Bruders übernehmen sollte, aber als der Bischof sich dann wieder einmischte, kam es zur Spaltung. Obwohl sich Albrecht ja von ihm drängen ließ, einen Vertrag zu siegeln, der ihm zumindest einen Teil seiner Regierungsgewalt zurückgibt, gehört er nun zu der Partei, die gegen den Bischof agiert. Ich vermute, dass es der Bischof wieder einmal übertreibt und Entscheidungen an sich reißt, die nicht die seinen sind, ohne den Pfleger und das Kapitel zu fragen. Ich habe gehört, er hat Neustadt an der Saale verpfändet, um seine Kosten zu begleichen. Es geht das Gerücht, er habe seine eigene Hofküche nicht mehr bezahlen können, aber unter den Ausgaben sind auch ganz sicher Gelder zu finden, die an diverse Domherren geflossen sind.«
»Bestechungsgelder!«, murmelte Gret. Elisabeth nickte mit ernster Miene.
»Ja, Bestechungsgelder. Nur so ist es wohl zu erklären, dass sich wieder mehr als die Hälfte aller Domherren auf seine Seite schlagen. Da die Würzburger fest zu Pfleger Albrecht halten und auf keinen Fall ihren Bischof zurückhaben wollen, haben seine Anhänger aus Angst vor Übergriffen die Stadt verlassen.«
»Sicher
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