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Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Titel: Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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diese Burg jemals als ihr Zuhause empfunden? Nein, nur Meister Thomas hatte ihr das Leben dort für einige Zeit angenehm gemacht. Daheim war nun das Haus in Würzburg. Dahin zog es sie. Dort fühlte sie sich wohl. Es war nicht das bequeme Leben von früher, doch es fühlte sich echt an, als würde es zu ihr gehören.
    Die Kutsche hielt plötzlich an. Und auch die Reiter zügelten ihre Pferde. Ein paar hastige Worte wurden gewechselt, dann verstummten die Männer draußen. Elisabeth schob den Vorhang beiseite und beugte sich ein wenig hinaus. Sie konnte nichts Ungewöhnliches sehen. Dennoch verharrten alle wie erstarrt.
    »Was ist denn los?«
    »Schsch!«, zischte ihr Bruder. »Hörst du das?«
    Sie lauschte. Als Erstes fiel ihr auf, dass nicht ein einziger Vogel zwitscherte. Auch sie waren wie die Reisenden verstummt, um atemlos zu lauschen. Aber worauf? Elisabeth öffnete den Wagenschlag und stieg aus. Gret folgte ihr. Mit geschlossenen Augen standen sie da und konzentrierten sich. Was sie vernahmen, waren nicht die Geräusche des Waldes. Etwas schwebte über dem Rauschen der Bäume. Etwas, das größer und mächtiger schien als die Natur. Erst war es wie ein Summen. Dann teilte es sich in verschiedene Geräusche auf. Fußtritte. Unzählige Fußtritte, der Hufschlag vieler Pferde,
die langsam im Schritt gingen, ein paar Karrenräder, unterdrückte Stimmen und immer wieder der Klang von Metall, das sacht gegen Metall schlägt.
    Elisabeth riss die Augen auf. »Heilige Jungfrau, sie kehren zurück!«
    »Wer kehrt zurück?«, wollte Jeanne wissen.
    »Die Männer. Das Heer, das abgezogen ist!«
    Gret schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube nicht, dass sie zurückkommen. Oder besser gesagt, nicht nur sie. Das hier ist größer. Gewaltiger! Und sie führen schwere Karren mit sich.«
    »Kanonen?«, hauchte Elisabeth entsetzt.
    Die Männer schienen zu derselben Erkenntnis gekommen zu sein. Meister Thomas wurde ein wenig blass und sah sich hektisch um.
    »Da kommt eine Armee auf uns zu, die nichts dem Zufall überlassen will. Wir dürfen ihnen nicht in die Arme laufen.«
    »Wohin? Der Wald ist zu dicht, um die Wagen zu verstecken«, rief Georg, der ebenfalls nach einem Ausweg suchte.
    »Dann lassen wir die Wagen hier. Schnell, spannen wir die Tiere aus«, schlug Meister Thomas vor.
    »Nein, sie werden uns suchen und finden. In dem Dickicht kommen wir nicht voran. Elisabeth, Gret, rasch zurück in den Wagen. Wir kehren um. Schnell, wir müssen nach Ochsenfurt zurück!« Die Frauen sprangen in die Kutsche und schlugen die Tür zu.
    »Auf dem Rücken eines Pferdes würde ich mich jetzt wohler fühlen«, meinte Elisabeth. Gret stimmte ihr zu.
    »Wie schnell können wir mit der Kutsche fahren? Und erst der Maultierkarren! Wir sollten ihn zurücklassen.«
    Doch die Männer hatten entschieden, und ihr Kutscher war schon dabei, auf dem zerfurchten Weg zu wenden. Er hatte es beinahe geschafft, als einer der Männer, die sie eskortierten, einen warnenden Ruf ausstieß. Elisabeth beugte sich aus dem Fenster. Sie fühlte, wie Eiseskälte sie erstarren ließ.
Dort hinten an der Biegung schieden sich ein Dutzend Reiter vom Grün des Waldes. Auf schweren Rössern, mit Schwertern und Schilden, in Waffenröcken und mit glänzenden Brustpanzern und Helmen.
    Der Kutscher schlug mit der Peitsche auf die Pferde ein, während die vier Bewaffneten bereits Hals über Kopf auf ihren Rössern das Weite suchten. Nur Georg und Meister Thomas blieben an der Seite der Kutsche, während der Maultierkarren mit Gottbert und Sebastian hinter ihnen zurückblieb.
    Natürlich war es ein sinnloses Unterfangen. Vermutlich wären ihre Aussichten besser gewesen, wären sie freundlich grüßend auf die Vorhut zugeritten. Vielleicht hätten sie die harmlosen Händler und ihre Frauen ziehen lassen. Unwahrscheinlich, aber möglich. Sie mit ihrem Fluchtversuch davonkommen zu lassen, war allerdings unmöglich.
    Die Geharnischten mussten sich nicht besonders anstrengen. Nach nur wenigen hundert Schritten hatten sie die Fliehenden umstellt. Armbrustschützen holten mit gut gezielten Schüssen ihre vier Ochsenfurter Begleiter aus den Sätteln. Georg und Meister Thomas waren vernünftig genug, ihre Pferde anzuhalten und nicht nach den Waffen zu greifen. Sie zogen den Kreis enger. Um die gefallenen Ochsenfurter, die tot oder zumindest schwer verletzt sein mussten, kümmerte sich keiner. Nur ihre Rösser fingen sie ein. Einige Männer stiegen ab. Sie zogen den Kutscher von

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