Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
können. Ihr habt ein gutes Gespür für Politik bekommen, Fräulein Elisabeth.«
»Dennoch werden sie sich sicher bald einigen und das Lösegeld bereitstellen«, meinte der Bischof voller Zuversicht und faltete die Hände über seinem nun etwas schlaff wirkenden Bauch. Elisabeth sah ihn zweifelnd an.
»Ich weiß nicht. Es ist ja nicht nur wegen des Geldes. Ihr habt Euch viele Feinde gemacht, die jetzt vielleicht froh sind, dass Ihr hier auf dieser Burg sitzt und ihnen nicht mehr in die Quere kommen könnt.«
Das beeindruckte den Bischof nicht. »Der größte Querulant unter ihnen, der alte von Masbach, sitzt in meinem Kerker. Der ist aus dem Weg und kann kein Gift mehr gegen mich versprühen.«
»Und Euer Pfleger?«, wagte Elisabeth einzuwenden. »Wird er nun nicht erleichtert sein, seine Politik ohne Eure Einmischung verfolgen zu können, und versuchen, Ruhe ins Land zu bringen? Ich vermute, er hofft, Ihr müsst möglichst lange hier einsitzen.«
Zu Elisabeths Erstaunen verzog ein breites Lächeln die bleichen Lippen des Bischofs. »Albrecht? Aber nein. Das mag vielleicht sein innerlicher Wunsch sein, doch das ist mir gleich. Er wird sich tatkräftig für meine Freilassung einsetzen und nicht eher ruhen, bis ich dieses Tor als freier Mann durchschreite.«
Elisabeth schüttelte den Kopf. »Wie könnt Ihr Euch da so sicher sein? Warum sollte er das tun?«
Der Bischof kicherte vergnügt. »Nun, er kennt mich, und er weiß, dass auch du hier gefangen gehalten wirst.«
»Und Ihr glaubt, meinetwegen würde er sich mit den Fürsten und Kirchenherren anlegen, um Euch freizubekommen?«
»Aber ja! Ich habe ihm dringend dazu geraten. Er hält ja so große Stücke auf dich, mein Kind. Es ist erstaunlich.«
»Diese Zeiten sind längst vorbei. Ihr wisst das! Er hat seinen Schwur und das Eheversprechen gebrochen, das er mir
gegeben hat. Er hat all seine Tugenden als Ritter verraten, um seiner Familie zu dienen und um als Bischof später reich und mächtig zu werden oder was auch immer. Ich stehe schon lange nicht mehr an erster Stelle. Seine Aufmerksamkeit, seine Kraft und seine Liebe gehören nun dem Land, seiner Familie und seiner glänzenden Zukunft.« Elisabeth stieß ein Schnauben voller Verbitterung aus.
»Zumindest nicht seiner glänzenden Zukunft«, widersprach Friedlein. »Ansonsten hätte er nie dem Vertrag zugestimmt, der ihn als Nachfolger des Bischofs ausschließt.«
Elisabeth öffnete einmal tonlos den Mund. Dann keuchte sie: »Das hat er gemacht? Deshalb war der von Grumbach so erfreut! Ja, jetzt verstehe ich. Aber warum hat Albrecht das getan? Sein Vater und sein Oheim werden ihn in Stücke reißen.«
»Er strebt eben nicht nach dem Bischofsstab«, sagte ihr Vater und rieb sich vergnügt die Hände. »Wichtiger ist es ihm, nach meinem Tod frei zu sein.«
»Ach, und wozu dann das Ganze? Warum ist er dann Pfleger geworden und opfert sich für das Land auf?«
»Weil ich es von ihm verlangt habe.«
Elisabeth hob die Brauen. »Verzeiht, wenn ich das sage, doch ich glaube nicht, dass Albrecht Euch sonderlich liebt oder das Bedürfnis hätte, für Euch ein Opfer zu bringen. Jedenfalls steht Ihr ganz sicher nicht vor seinem Vater und seinem Oheim.«
»Das habe ich auch nicht behauptet. Ich ließ ihm keine Wahl. Genauso wie ich ihm keine Wahl lasse, mich wieder an der Regierung zu beteiligen oder mich schnellstmöglich aus diesem Kerker hier zu befreien.«
Elisabeth starrte ihn verblüfft an. Friedlein verdrehte die Augen.
»Fräulein, fragt Ihr Euch allen Ernstes, welches Druckmittel seine Exzellenz in der Hand hält? Schaut in den Spiegel, wenn Ihr die Antwort nicht von alleine findet.«
Mit weit aufgerissenen Augen starrte Elisabeth ihn an. »Wie kann das sein?«, stotterte sie.
»Albrecht hat seine Ehre als Ritter nicht verraten, noch ist er gegen Euch wortbrüchig geworden. Er hat geschworen, sein Leben dafür zu geben, Schaden von Euch fernzuhalten, und genau diesen Schwur befolgte er nun, so schwer es ihm auch fällt.«
»Aber ich verstehe nicht.«
Der Bischof lachte. »Nein? Ich kann es nicht glauben, dass dieses Kind ein Jahr in einem Hurenhaus gelebt hat und noch immer so unschuldig ist.«
Elisabeth zuckte zurück. Natürlich hatte sie ihrem Vater ihr dunkles Geheimnis gebeichtet, aber dass er dies so unverfroren vor Friedlein aussprach!
»Wie soll ich das verstehen?«, fragte sie steif.
»Ganz einfach. Ich habe ihn vor die Wahl gestellt, mir zu gehorchen und dadurch dein schändliches
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