Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
möchte.«
»Ich höre.«
»Ich bitte Euch darum, den Bischof und die anderen Gefangenen besuchen zu dürfen.«
»Zu welchem Zweck?«
»Nun, um mich von ihrem Wohlergehen zu überzeugen. Um ein paar Worte mit ihnen zu sprechen und vielleicht zur Heiligen Nacht gar eine kleine Gaumenfreude im trostlosen Einerlei überbringen zu dürfen.«
»So, das dachtet Ihr.« Seine Stimme klang zwar barsch, doch in seinem Blick glaubte sie Verständnis lesen zu können. Sie sah ihm in die Augen, bis sich seine Lippen ein wenig zu einem Lächeln verzogen.
»Gibt es etwas, das Ihr mit Eurer Hartnäckigkeit nicht erreicht?«
Elisabeth erwiderte sein Lächeln. »Unsere Freiheit, vermute ich.«
Der Ritter nickte nun wieder ernst. »Ja, das wäre dem von Hirschhorn gar nicht recht, fürchte ich. Wobei ich mich frage –
ohne Euch zu nahe treten zu wollen –, ob er für Euch überhaupt ein Lösegeld fordert – und wenn ja, auch eines bekommen würde.«
Elisabeth hob die Schultern. »Mich dürft Ihr das nicht fragen, denn ich kenne die Antwort nicht. Bisher hat sich wohl kein edler Ritter gemeldet, der sich für meine Freilassung eingesetzt hätte?«, fügte sie in bemüht scherzhaftem Ton hinzu. Der Junker schüttelte den Kopf. »Nein, ich hätte es Euch wissen lassen. Und nun geht Eure Runden im Hof. Ich schicke Euch eine Magd mit einem Korb aus der Küche. Lasst Euch damit zu Eurem Vater begleiten.«
Elisabeth versank in einen tiefen Knicks. »Ich danke Euch von Herzen, Ritter von Egloffstein. Noch einmal die besten Wünsche zur Heiligen Nacht und Gottes Segen.«
Elisabeth konnte es kaum erwarten, bis sie mit dem Korb unter dem Arm in die Zellen gelassen wurde. In der ersten fand sie den Kaplan und einen Sohn des Ritters von Schwarzenberg. Es ging ihnen leidlich gut, und sie freuten sich über den unerwarteten Besuch und vor allem über die Süßigkeiten und die beiden fetten Weihnachtswürste. Auch die anderen Männer waren alle noch am Leben, auch wenn zwei husteten und offensichtlich unter Fieber litten. Elisabeth versprach, sie werde versuchen, ein paar Decken für die Kranken aufzutreiben, und vielleicht auch mehr heiße Suppe.
Dann betrat sie die Kerkerzelle, die der Bischof mit Friedlein teilte. Elisabeth erschrak, wie schlecht ihr Vater aussah. An dem Narren dagegen schien die Gefangenschaft spurlos vorbeizugehen. Er grinste, zog Grimassen und begrüßte Elisabeth mit heiterer Stimme. Der Bischof dagegen wandte sich ihr unter Schmerzen zu. Sein Gesicht war eingefallen und blass, ja von geradezu ungesund gelblicher Farbe. Er musste einiges an Gewicht verloren haben. Sein Blick war trüb, die Augen blutunterlaufen. Er lächelte schwach, als Elisabeth ihn
begrüßte. Sie übergab Friedlein den Korb, dessen Inhalt ihm einen Ruf der Begeisterung entlockte.
»Ihr seid ein Engel, Fräulein Elisabeth. Ach, und ich begann schon daran zu zweifeln, dass es Weihnachtswunder in unseren Tagen noch gibt.« Der Narr stopfte sich eine Wurst in den Mund und schob gleich noch einen Honigkuchen hinterher.
»Falls du dich unterstehst, alles alleine aufzufressen, war dies deine Henkersmahlzeit!«, drohte der Bischof.
Friedlein warf einen besorgten Blick in den Korb. »Ist noch genügend für Euch drin«, versicherte er.
Elisabeth blieb vor ihrem Vater stehen. »Wie geht es Euch? Behandelt man Euch gut? Leidet Ihr Hunger?«
Er hob die Schultern und ließ sie kraftlos wieder fallen. »Es ist nicht das wenige Essen, das mir zu schaffen macht. Das Reißen in den Gliedern ist schier unerträglich, und die Wunden an meinen Beinen werden fast täglich größer. Die Haut scheint so dünn, dass sie überall aufzubrechen droht. Ich bedürfte dringend der lindernden Tinkturen dieses vermaledeiten Apothekers, der sich ohne meine Erlaubnis aus dem Staub gemacht hat.«
»Er ist mit Georg wieder auf Reisen gegangen. Was hätte er denn tun sollen, wo er doch keinen Apothekenbrief für den Marienberg erhalten hat?«, verteidigte sie Meister Thomas und seine Entscheidung.
Der Bischof winkte ab. »Es ist mir zu mühsam, darüber zu streiten. Sag mir lieber, ob schon Nachricht aus Nürnberg gekommen ist.«
Elisabeth schüttelte den Kopf. »Ich denke, sie haben erst begonnen zu tagen und über die Bedingungen Eurer Freiheit zu sprechen. So wie ich die Edlen und Kirchenmänner kennengelernt habe, werden sie nun tagelang streiten und um jeden Gulden schachern.«
Friedlein kicherte. »Treffender hätte ich solch eine Versammlung
nicht beschreiben
Weitere Kostenlose Bücher