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Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Titel: Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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dem schneidend kalten Wind Schutz bot. Ein paar Flocken tanzten vor dem Fenster vorbei. In nicht einmal drei Wochen war Weihnachten. Elisabeth wagte nicht, sich zu fragen, wie sie das Fest in diesem Jahr begehen würde. Nein, darüber dachte sie im Moment lieber nicht nach. Sie sollte lieber versuchen, Schlaf zu finden und ihre Kräfte zu schonen.
    Der Bischof stöhnte und versuchte eine bequemere Stellung zu finden. Seine Hände zuckten und krampften sich um seinen Leib. Er litt Schmerzen. Der Kriegszug und der Überfall hatten ihm mehr zugesetzt, als er bereit war zuzugeben. Er schwankte und lehnte sich gegen Friedlein. Ehe er ihn vollends gegen die Wand drücken konnte, öffnete der Narr die Tür und schlüpfte aus der Kutsche. Vielleicht zog er die Dezemberkälte der Gefahr vor, von seinem Herrn zerquetscht zu werden. Elisabeth hörte ihn draußen mit ihren Bewachern sprechen. Die Männer lachten leise. Bewundernswert! Der
Narr fand immer einen Spalt hindurchzuschlüpfen. Um ihn machte sie sich keine Sorgen. Doch wie würde es mit ihr weitergehen? Und wie mit ihrem Vater?

Kapitel 28
    A ls die Nachricht über die Gefangennahme des Bischofs Würzburg erreichte, wurde rasch eine Sitzung der Domkapitulare und der bischöflichen Räte einberufen. Man beschloss, zuallererst die fränkische Ritterschaft und die benachbarten Fürsten zu benachrichtigen. Außerdem beorderte man eine Anzahl ihrer Mitglieder auf die Festung, die für den Schutz der Marienburg nun verantwortlich sein sollten. Über die Freilassung des Bischofs würde an Weihnachten in Nürnberg beschieden werden. Zu dieser Versammlung lud man auch die Bischöfe von Bamberg und Eichstädt sowie Markgraf Friedrich von Brandenburg ein. Dort würde man auch über das weitere Schicksal des Bistums sprechen müssen. Es konnte nicht angehen, dass der vom Kapitel bestellte Pfleger gegen den abgesetzten Bischof zu Lasten das Landes eine nicht enden wollende Fehde bestritt.
    Ja, zu Weihnachten würden sie sich treffen und all die Probleme lösen.
     
    Die Tage zogen sich dahin. Elisabeth kam es vor, als fiele sie in eine Art Dämmerschlaf. Oder war es eine Kältestarre? Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie einmal tagelang so gefroren hatte. Nicht einmal während ihrer Zeit im Frauenhaus. Aber daran wollte sie im Augenblick nicht denken. Denn dann drängten sich unweigerlich Gret und Jeanne in ihre Erinnerung, und sie musste sich wieder mit der Frage quälen, was aus den beiden Frauen geworden war. Elisabeth
schloss die Augen. Ihr Rücken und die Schultern schmerzten. Sie sehnte sich danach, sich endlich ausstrecken zu können. Fast hoffte sie, ihr Ziel – wie auch immer es heißen möge – bald zu erreichen. Doch genauso sehr fürchtete sie sich davor. Was würde der Ritter von Hirschhorn mit ihnen machen? In was für ein Verlies wollte er sie sperren? Elisabeth dachte mit Schaudern an das stinkende Loch unter der hohen Warte des Marienberges. Dann schon lieber die Kerkerzelle, in der Albrechts Vater auf dem Zabelstein gefangen gehalten worden war. Vielleicht würde sie sich schon bald nach der weichen Polsterbank der Kutsche zurücksehnen. Endlich schlief Elisabeth vor Erschöpfung ein. Sie träumte von Jeanne und Gret, wie sie zusammen mit ihnen durch einen dichten Wald lief, doch sosehr sie sich abmühten, ihre Schritte wurden immer langsamer. Efeuranken griffen nach ihren Beinen, umschlangen ihre Knöchel und hielten sie fest. Hinter ihnen ertönte Kriegsgeschrei. Männer mit blanken Schwertern nahmen die Verfolgung auf. Sie konnte ihre grimmigen Gesichter erkennen und die Klingen, in denen sich das Mondlicht spiegelte. Ihr Mund öffnete sich zu einem Schrei, doch kein Ton wollte herauskommen, sosehr sie sich auch anstrengte. Elisabeth warf im Schlaf den Kopf hin und her. Aus ihrem Stöhnen formte sich ein Name: »Albrecht!«
     
    Ihr Ziel hieß Schloss Reicheneck, das Albrecht von Egloffstein vom Stift Eichstätt zu Lehen hatte. Bang sah sich Elisabeth um, als die Kutsche anhielt und der Schlag geöffnet wurde. Was erwartete sie an diesem Ort? Elisabeth versuchte nicht an die Männer zu denken, die die Bischöflichen bei ihrem Treffen auf der Zeller Steige gefangen genommen hatten und von denen so viele bereits an Hunger und Kälte elendig zugrunde gegangen waren. Nein, die Lebenserwartung in einem Verlies war nicht besonders hoch!
    »Nur Mut, Fräulein«, raunte ihr der Narr zu, dem ihre Verzagtheit
nicht entging. »Es wird sich schon ein edler Retter

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