Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
in einem äußerte er sich bestrebt, nicht nur einen Leibarzt an seiner Seite zu haben, sondern eine eigene Apotheke auf dem Marienberg einzurichten. Er forderte mich auf, auf meinen Reisen viele seltene Ingredienzien zu sammeln und sie mit nach Würzburg zu bringen, um dann hier eine Offizin einzurichten.«
»Und nun? Was gedenkt Ihr nun zu tun? Ihr wisst doch,
dass der Bischof auf dem Zabelstein weilt. Wollt Ihr zu ihm weiterreisen?«
Meister Thomas hob die Schultern. »Einen Versuch ist es wert, doch ich kann mir nicht denken, dass er unter diesen Umständen noch einen Apothekenmeister benötigt.«
»Warum nicht? Mein Vater ist ein alter Mann, der – das muss man leider sagen – in seinem Leben zu viel dem Genuss gefrönt und sich diverse Leiden zugezogen hat. Wo soll er dort draußen in den Wäldern Heilmittel bekommen?«
»Das ist schon richtig«, unterbrach sie der Gast. »Doch bedenkt, sein Hofstaat ist dort viel kleiner. Und, was viel schwerer wiegt, man sagte mir, dem Bischof stünden nur noch wenige Mittel zur Verfügung, die der Pfleger und das Kapitel ihm zukommen lassen. Ich denke nicht, dass er diese für mich und meine Medizin verwenden will. Wenn er krank ist, wird er einen Boten mit dem Rezept seines Leibarztes nach Schweinfurt, Bamberg oder Würzburg schicken. Da muss er sich nicht eine eigene Offizin einrichten.«
»Und wie wird es dann für Euch weitergehen?«, fragte Elisabeth ein wenig ratlos. Meister Thomas machte eine wegwerfende Handbewegung. »Macht Euch meinetwegen keine Gedanken. Pfleger von Wertheim hat mir fürs Erste erlaubt, meine Waren hier unterzubringen und diesen Raum zum Verarbeiten einiger Kräuter und Steinproben zu verwenden, um Heilmittel herzustellen. Diese kann ich an andere Apotheker verkaufen. Ich kann wieder mit Eurem Bruder auf Reisen gehen und mir neue Ware verschaffen, oder ich gehe zurück in meine Geburtsstadt, nach Bamberg, um dort das Privileg für eine Apotheke zu erwerben. Vielleicht sogar bei Hof, wer weiß. Mein Vater ist ein angesehener Bürger und Ratsherr.«
Elisabeth strich mit dem Finger über eine Reihe zylindrischer Gefäße aus Majolika, der wertvollen Töpferware von einer Insel im Mittelmeer, deren undurchsichtige Zinnglasur und eine weitere durchsichtige, die Blei enthielt, sie ungewöhnlich
gut abdichtete, ganz im Gegensatz zu der porösen heimischen Ware. Ein Gedanke huschte durch ihren Sinn, und sie sprach ihn aus, ehe sie darüber nachgedacht hatte.
»Dann kann ich nur hoffen, dass Eure Experimente Euch lange hier aufhalten.«
Meister Thomas trat ein Stück näher. »Warum denn das, Fräulein Elisabeth?«
Sie hob den Blick und sah in seine tiefblauen Augen.
»Damit Ihr Zeit und Muße findet, mir noch viele interessante Dinge von Euren Reisen und über die Heilmittel, die Ihr dort gesammelt habt, zu berichten.«
Kapitel 4
E xzellenz, der Bote hat dieses Schreiben für Euch abgegeben.« Friedlein hielt ihm den Brief so hin, dass das Licht der Kerzen auf das Siegel fiel. »Aus Würzburg, vom bürgerlichen Rat. Ah, endlich gibt es eine Antwort auf Eure Schreiben, die die Stadt wie eine Flut überschwemmt haben müssen – zumindest sagt mir der Schmerz in meiner Hand, dass ich den Brief so oft abgeschrieben habe.«
Er machte ein klägliches Gesicht, doch der Bischof ignorierte ihn. Er riss dem Narren nur das Schreiben aus der Hand, erbrach das Siegel und begann zu lesen. Friedlein beobachtete ihn gespannt und sah, wie sich die Farbe seines Gesichts wiederholt von Rot zu blass und dann wieder zu Rot wandelte. Zum Schluss, als er mit einem Ausruf das Blatt sinken ließ, war sein fleischiges Gesicht mit dem Doppelkinn von roten Flecken verunziert.
»Das scheint nicht die gewünschte Antwort zu sein«, sprach der Narr mehr zu sich selbst. »Was schreiben die Ratsherren?«
Zu seinem Erstaunen reichte ihm der Bischof das Blatt. Nein, er warf es ihm geradezu voll Abscheu vor die Füße. Friedlein fing das unschuldig herabsegelnde Pergament auf und begann in dramatischem Tonfall zu lesen.
Ehrwürdiger Herr, Herr Johann, Bischof zu Würzburg! Es sind auf den Straßen, in den Kirchen und an anderen Orten Briefe ausgestreut worden, welche Ihr an die
Viertel der Stadt geschrieben habt, was einem würdigen Herrn wie Euch nicht geziemt. Doch wollen wir uns auf die in demselben gemachten Beschuldigungen freimütig verantworten. Ihr habt in diesen Briefen vorerst Euch beschwert, dass wir Euch ungerechter Regierung beschuldigten und deshalb
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