Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
verunglimpften. Wir erinnern Euch nun an die von Euch an uns verübte Gewalttätigkeit, da Ihr uns auf den Frauenberg laden und dort gefangen nehmen, auch die Stadt mit Kriegsvolk belagern ließet. Ihr wolltet glauben, dass wir den Vierteln der Stadt über die mit Euch gepflogenen Unterhaltungen mit Unwahrheit berichtet haben; wir haben denselben im Gegenteile alle auf der Versammlung zu Kitzingen gemachten Vergleichsvorschläge getreulich bekannt gemacht. Wenn Ihr ferner uns als die Urheber der Feindseligkeiten bezichtigt, so wollen wir dagegen nur Euer bisheriges, jedermann kundiges, gewaltsames Benehmen gegen uns anführen, gegen welches wir unsere stets gefährdete Ehre, Leib und Gut zu verteidigen genötigt und gezwungen waren. Auf Euer Versprechen, das Stift selbst mit Gottes und Euerer Freunde Beistande fürder löblich regieren zu wollen, erklären wir, dass Ihr dieses schon früher zu der Zeit, als Ihr zu dem würdigen Stifte Würzburg gelangt seid, wohl hättet tun können, damals aber das Gegenteil getan und das Stift in unabsehbares Elend gestürzt habt. Euer Vorhaben erscheint uns deshalb mit Recht unlauter und nicht ehrenhaft. Der allmächtige Gott und der heilige Märtyrer Kilian, unser Stiftspatron, mit seinen heiligen Gefährten, möge Euch erleuchten und bewegen, dass Ihr einsehet, in welches Unglück Ihr das löbliche Stift Würzburg gestürzt habt, und Euer Herz bekehren und bessern, damit dem äußersten Notstande des Landes endlich abgeholfen werde. Wollet Ihr aber, wie es scheint, absichtlich Gelegenheit zur Erneuerung und Fortspinnung des Zwistes zwischen
Euch und uns suchen, so werden wir uns gemüßigt sehen, uns auf jede erlaubte Weise vor Euren Anfeindungen sicherzustellen.
»Hör endlich auf damit!«
Friedlein ließ den Brief sinken. »Das könnte man als ein eindeutiges »Nein« zu Eurem Ansinnen deuten.«
»Glaubst du, das ist mir entgangen?«, rief der Bischof erbost.
»Dass das einfache Volk immer so nachtragend sein muss«, meinte der Narr mit einem Kopfschütteln. »Es ist so fantasielos in seinen Gedanken und sieht nur, was sich direkt vor seinen Augen abspielt. Den höheren Zweck, der dahinter steht, will es nicht einsehen. Nun gut, einen Versuch war es wert.« Er warf den Brief achtlos hinter sich, wo er zu Boden flatterte.
»Wenden wir uns neuen Plänen zu. Was gedenkt Ihr nun zu tun, nachdem Eure höfliche Aufforderung ins Leere glitt?«
»Ich denke darüber nach«, sagte der Bischof unfreundlich. »Und nun geh. Ich werde es dich wissen lassen, wenn ich so weit bin, dass ich glaube, es wäre gut, meine Gedanken mit dir zu teilen.«
»Das hört sich vielversprechend an. Ich bin gespannt!«, rief Friedlein und hinkte mit seinen verschieden langen Beinen hinaus.
»Er ist wieder da!« Elisabeth schenkte Jeanne ein strahlendes Lächeln, dann raffte sie die Röcke und eilte den Gang entlang und die Treppe hinunter in den Hof, wo sie Albrecht auf der untersten Stufe beinahe umrannte. Lachend fing er sie auf, drückte sie kurz an sich, nahm aber dann Abstand und verbeugte sich, wie es sich gehörte.
»Mein Herz, ich brauche dich also nicht zu fragen, ob du mich vermisst hast«, sagte er mit einem Lachen. »Aber ich stehe dir in keiner Weise nach. Ich konnte an nichts anderes
denken als an unser Wiedersehen. Komm, lass uns hineingehen. Hier draußen ist es zu unwirtlich, und ich sehe, dass es dich fröstelt.«
So traten sie in den Fürstenbau zurück, in dem ihr Vater früher gewohnt hatte und in dem nun der Pfleger Johann sich einrichtete. Am liebsten hätte sie Albrecht mit in ihr behagliches Gemach genommen, um mit ihm vor dem Kamin zu sitzen und zu plaudern, einen Becher Honigwein in den Händen und vielleicht einige kandierte Früchte aus der Schale, die Jeanne nie leer werden ließ. Gret hatte die Köstlichkeiten eigenhändig nur für die Freundin zubereitet, so viel wusste sie.
So setzten sie sich in den kleinen Speisesaal, in dem sie nun öfters mit ihrem Bruder und Meister Thomas zu speisen pflegte, wenn sie sich nicht zu dem neuen Hausherrn und seinen Gefolgsleuten setzen mochte. Kaufmann Johann und die anderen Begleiter des Handelszuges waren bereits weitergereist.
Sorgsam rückte Elisabeth zwei Sessel an den Kamin und schenkte Albrecht einen Becher Wein ein. »Nun, wie geht es auf Burg Wertheim? Sind dein verehrter Vater und deine liebe Mutter wohlauf?«
»Aber ja, danke der Nachfrage.«
Warum sah er ihr nicht in die Augen? Ein ungutes Gefühl breitete sich
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