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Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Titel: Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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den Grund darin haben mag – das gestehe ich jetzt nur ungern vor Euch –, dass ich mir der Mehrheit der Domherren nicht sicher sein kann. Noch nicht! Diese Tat mag in Euren Augen wohl meine Handschrift tragen, und dennoch irrt Ihr Euch. Nein, ich fürchte, Ihr müsst der Wahrheit ins Auge sehen und Euren Blick auf den Zabelstein wenden. Was, offen gesagt, kein Geheimnis ist. Es ist bereits in aller Munde.«
    »Auch was in aller Munde ist, kann falsch sein«, entgegnete Elisabeth mit belegter Stimme.
    »Ach, fast möchte man Euch Eure Unschuld glauben, würde man es nicht besser wissen, Jungfrau! Seid Ihr so leichtgläubig, so vernarrt oder so dumm, dass Ihr die Wahrheit nicht seht?« Er beugte sich vor, dass sie seinen Atem auf der Wange spüren konnte. »Oder wisst Ihr es im tiefen Innern Eures Herzens, habt aber beschlossen, Euren Hass auf mich allein zu konzentrieren? Das wäre überaus praktisch, denn wohin wollt Ihr gehen, wenn ich hier erst der Herr bin? Da wäre es um ein ruhiges Gewissen schlecht bestellt, wenn Ihr Tag für Tag das Los des dahinsiechenden Bischofs teilen müsst, wo Ihr doch so strenge moralische Grundsätze hegt«, flötete er vergnügt.
    »Meine Moral tut hier nichts zur Sache«, verteidigte sich Elisabeth. »Ihr müsst um Euer Seelenheil fürchten. Ihr habt versucht, meinem Vater und mir das Leben zu nehmen, nur um Eure Machtgier zu befriedigen.«
    »Ja, und dennoch hat Euer Vater nun etwas getan, was mir sehr zu Streich kommt – wenn auch ein wenig zu früh, doch ich will nicht ungerecht sein.« Der Dompropst zog ein nachdenkliches Gesicht. »Ob ihm das überhaupt bewusst war? Nein, bestimmt nicht. Er mag mich nicht besonders – zu Recht, werdet Ihr sagen.« Elisabeth sog nur scharf die Luft ein. Was konnte man zu so viel Dreistigkeit sagen?
    »Ja, er denkt sicher nur an seinen Vorteil und bildet sich vielleicht in der senilen Schwäche seines alternden Geistes ein, nun, da der unliebsame Pfleger aus dem Weg ist, würden Rat und Kapitel ihn wieder in Gnaden als ihren rechtmäßigen Herrscher empfangen.« Dompropst von Grumbach schüttelte den Kopf. »Nein, diese Rechnung wird nicht aufgehen. Aber wisst Ihr, mir kommt da gerade eine Idee, die mir vortrefflich gefällt. Seht Euch nur diese kopflose Herde an.« Er ließ den Blick über den Hof schweifen und machte eine abfällige Handbewegung.
    »Womöglich wird es Tage dauern, bis sie den Schock überwunden haben und wieder fähig sind, ihren Geist zu gebrauchen. So lange kann man nichts tun, und ich glaube, ich nutze die Zeit, einen kleinen Besuch abzustatten. Ihr ahnt, wohin es gehen wird? Darf ich Euch einen Platz in meiner Kutsche anbieten und Euch zu einem Besuch bei Eurem Vater mitnehmen? Wie wäre das schön, wenn Ihr ihn ein wenig sanftmütig stimmen und ihm zuraten würdet, meinen Vorschlag anzunehmen, den ich ihm unterbreiten werde.«
    Elisabeth schnappte nach Luft und war eine ganze Weile nicht in der Lage, ihm eine Antwort entgegenzuschleudern, so empört war sie über diese Frechheit.
    »Ich würde mich eher vom Turm stürzen, als mit Euch auf Reisen zu gehen, und ganz sicher werde ich meinem Vater auch niemals raten, einem von Euren Vorschlägen zuzustimmen, ganz gleich, wie er lautet!«
    Seine Augen blitzten belustigt. »Nun, dann kann ich vermutlich nur froh sein, dass Ihr nicht mitkommt und so Euren Vater auch nicht warnen oder gegen mich beeinflussen könnt, nicht wahr?«
    Und mit diesen Worten ließ er sie einfach stehen. Erhobenen Hauptes schritt er davon. Sein Diener Fritz Hase folgte ihm. Elisabeth blieb nur, ihm hinterherzustarren und sich zu fragen, ob sie in diesem Duell auch nur einen einzigen Treffer gelandet hatte. Nein, gut sah die Bilanz nicht für sie aus, und sie hatte das ungute Gefühl, als habe man ihr auch den letzten Faden aus der Hand genommen.
     
    Sie sah Albrecht an diesen traurigen Tagen ab und zu aus der Ferne, doch Elisabeth bekam kaum die Möglichkeit, ihm ihr tiefes Bedauern und ihr Mitgefühl wegen des plötzlichen Todes seines Bruders aussprechen zu können. Dabei drängte es sie, ihn in die Arme zu nehmen und zum Trost an ihre Brust zu ziehen, doch nie waren sie unbeobachtet, und so wagte sie
es nicht. Er sah so verloren aus, wie er auf der Festung auf und ab ging und sich dann auf sein Pferd schwang, um zu der Versammlung des Kapitels nach Würzburg hinunterzureiten. Noch war er offiziell einer von ihnen, auch wenn er meist bereits wieder in Wams, Beinlingen und Stiefeln gekleidet

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