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Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)

Titel: Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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helft mir! Seht Ihr nicht, dass ich mich hier vergeblich mühe, ihm den Wein einzuflößen?«
    Sichtlich widerwillig hob der Vikar den Kopf des unkontrolliert Zuckenden, während die Oberin mit Gewalt seinen Mund öffnete und den mit Salz versetzten Wein hineingoss.
    Pfleger Johann von Wertheim hustete, rollte mit den Augen und würgte dann. Er bäumte sich auf. Ein warmer Schwall
ergoss sich über das Ordenskleid der Äbtissin, dann versteifte sich sein Körper, der Blick wanderte zur Decke und erstarb.
    Der Glanz des Lebens in seinen Augen erlosch in dem Moment, da seine Seele sich vom Körper löste. Dann erschlaffte er. Die leere, menschliche Hülle glitt der Oberin aus den Händen und blieb auf dem kalten Steinboden liegen, die Augen noch immer starr nach oben gerichtet.
    Wie seltsam und doch auch wunderbar ist der Augenblick, da das irdische Band gelöst wird, dachte die Ordensfrau und bekreuzigte sich. Dann beugte sie sich vor, um dem hohen Kirchenmann die Augen zu schließen, dem es nur vier Wochen und sechs Tage vergönnt gewesen war, das Schicksal des Bistums Würzburg und des Fürstentums Franken zu leiten. Traurig sah sie auf ihn hinab und betete für seine Seele. Doch auch für all die Menschen des Landes, deren weiteres Schicksal nun wieder im Ungewissen lag. Wie würde es weitergehen? Wer würde nun ihr Herr und Hirte auf Erden sein?
    Erst nach einer Weile bemerkte die Oberin die Unruhe um sich, und sie wandte ihren Blick von dem Toten. Eine junge Schwester half ihr auf.
    »Was soll denn nun geschehen?«, wagte die Bursnerin die Frage auszusprechen, die alle Schwestern und auch die vor Schreck noch immer sprachlosen Besucher bewegte.
    »Wir werden den Körper seiner Exzellenz in der Kirche aufbahren und so lange mit unseren Gesängen und Gebeten über ihn wachen, bis die Abordnung aus Würzburg eintrifft, um ihn zu seinem Begräbnis dorthin zurückzubringen.«
    Sie nannte die Namen der Schwestern, die ein Brett holen und den Toten darauf in die Kirche tragen sollten, und führte dann die Reisebegleiter zum Tor. Mit wenigen Worten verabschiedeten sie sich und stiegen dann stumm in ihre Kutschen. Nein, keiner von ihnen hätte auch nur ahnen können, dass diese Reise so enden würde.

Kapitel 6
    E s war der Tag vor dem feierlichen Begräbnis. Der Leichnam des Pflegers Johann von Wertheim, der gerade einmal wenige Wochen das Schicksal des Landes gelenkt hatte, lag aufgebahrt im Dom, wo die Menschen von ihm Abschied nehmen konnten oder auch nur ihre Neugier befriedigen. Er war so jung gewesen, und noch vor ein paar Tagen schien ihm eine glänzende Zukunft sicher. Nein, niemand hätte ahnen können, dass sich das Schicksal so schnell wenden und seine hässliche Fratze zeigen würde.
    Wirklich keiner? Wenigstens einen musste es geben, der es nicht nur gewusst, sondern auch geplant und ausgeführt hatte.
    Wer hatte die Möglichkeit gehabt, den Wein, das Mus oder den Käse des Pflegers zu vergiften? Denn dass es beim Mahl mit den Schwestern geschehen sein musste, daran bestand kein Zweifel. Wer von ihnen gab nur vor, ein Anhänger und Vertrauensmann des Johann von Wertheim gewesen zu sein? Misstrauische Blicke schweiften unter den Gefolgsleuten umher.
    Und noch eine Frage bewegte so manches Gemüt: Wer stand hinter dem Anschlag? Denn dass der Tod die Folge eines persönlichen Racheakts eines der Begleiter gewesen sein sollte, wollte niemand glauben. Nein, hinter diesem Anschlag stand mehr. Und obwohl man noch immer rätselte, wer der gedungene Mörder sein mochte, dauerte es nicht lange, bis man für den Drahtzieher des Ganzen vor allem einen Namen hinter vorgehaltener Hand flüsterte: Bischof Johann II. von Brunn.
    Ein paar wenige waren gar so mutig, dies laut auszusprechen, wie Pfarrer Reinhart von Emskirchen. Doch auch ohne solch vereinzelte Ausrufe der Empörung waren sich die meisten in ihrem Stillschweigen einig. Vielleicht war Elisabeth eine der wenigen, die anders über die Sache dachte. Nicht nur, weil Bischof von Brunn ihr Vater war. Nein, es gab da durchaus noch eine andere Person, die sich vom Tod des Pflegers einen Nutzen versprechen konnte.
    Was hatte sich der Herr im Himmel nur dabei gedacht, diesen feigen Anschlag zuzulassen?
    Elisabeth stand am Fuß der hohen Warte im Hof der Festung und sah sich um. Aufgeregt liefen Mägde, Knechte und Wächter durcheinander. Ritter, Vikare und Kapläne standen in Gruppen beisammen und sprachen in gedämpftem Ton miteinander. Elisabeth konnte die ratlosen

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