Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
wir getäuscht! Dein Bruder ist tot und mit ihm unsere großen Pläne.«
Albrecht machte eine ungeduldige Handbewegung. »Das Zweite ist nicht so wichtig. Die Grafen von Wertheim kamen stets gut zurecht, auch ohne einen Bischof in der Familie.«
Sein Vater runzelte unwillig die Stirn. »Was ist das für ein unsinniges Gerede? Es geht nicht darum, ob wir überleben. Es geht darum, die Familie voranzubringen, und dabei war dein Bruder auf dem besten Weg. Noch war er nur Pfleger, doch schon bald wäre er Bischof und Landesfürst geworden!«
Albrecht hob die Schultern. »Es ist nicht mehr zu ändern. Das Schicksal hat gegen uns entschieden.«
»Nein, ganz so ist es nicht. Wir können zwar am Tod deines Bruders nichts mehr ändern, doch noch müssen wir uns mit unseren hohen Plänen nicht geschlagen geben.«
Albrecht wich ein Stück in seinem Stuhl zurück, bis die hölzerne Lehne ihm in den Rücken drückte. »Wie meint Ihr das, Vater?«, fragte er, obwohl er die Antwort ahnte.
»Du willst es aus meinem Mund hören? Gut! Das Kapitel hat sich schon einmal darauf geeinigt, einen Domherrn von Wertheim zum Pfleger zu ernennen. Dein Bruder hat sein Amt gewissenhaft ausgefüllt und bereits viel auf den Weg gebracht. Ist es da nicht recht und gut, wenn du als sein Bruder das Werk fortführst, das er begonnen hat?«
Albrecht sprang auf. »Nein, das geht nicht!«
»Setz dich hin! Was soll dieser Aufschrei, als habe ich ein schreckliches Opfer von dir verlangt?«
Kraftlos ließ sich Albrecht wieder auf seinen Stuhl sinken. Ihm war es vor dem Feuer plötzlich viel zu heiß, doch er blieb, wo er war, obgleich sich auf seiner Stirn Schweißperlen bildeten. Vermutlich waren sie jedoch nicht auf die Flammen im Kamin zurückzuführen. Sein Ansinnen war plötzlich noch unmöglicher, als es ihm bereits zuvor erschienen war.
»Vater, sie werden mich nicht wählen«, widersprach er schwach. »Ich bin zu jung, gerade erst zu ihnen gestoßen, und außerdem habe ich bereits entschieden, in den Ritterstand zurückzukehren.«
Der Vater wischte den Einwand beiseite. »Diese Entscheidung wurde in einer anderen Situation getroffen, als dein Bruder noch lebte, und außerdem bist du noch nicht wieder aus dem geistlichen Stand entbunden. Das wird nicht schwer zu regeln sein. Bleibt also nur noch zu überlegen, wie wir die anderen Domherren überzeugen, dich zu Johanns Nachfolger zu erklären. Lass mich nur machen. Wir haben das bei Johann hinbekommen, das schaffen wir auch bei dir.«
Albrecht sprang auf. »Nein! Ihr könnt Euch die Mühe sparen. Ich werde weder Pfleger noch Bischof. Ich werde in den Ritterstand zurückkehren und eine Familie gründen, die den stolzen Namen von Wertheim fortführen wird.«
Sein Vater sah ihn verblüfft an. »Darüber haben wir einmal gesprochen, ja, aber die Situation hat sich geändert. Wir haben für deinen Bruder Georg bereits eine Braut ausgewählt, die uns die Erben unseres Namens gebären wird. Es ist für uns alle das Beste, wenn du dich um das Amt des Bischofs bemühst.«
»Für Euch vielleicht, aber nicht für mich«, widersprach Albrecht leise. »Und nicht für meine Braut, der ich mich versprochen habe. Ihr könnt nicht verlangen, dass ich den Schwur breche!«
Noch wirkte der Vater mehr irritiert denn erzürnt. »Von wem redest du? Wir haben dich keiner versprochen.«
»Nein, Ihr nicht. Ich selbst habe Elisabeth, der Tochter Bischof Johanns von Brunn, meinen Schwur geleistet. Sie hat ihr Leben in meine Hände gelegt, und ich werde ihr Vertrauen nicht enttäuschen.«
»Elisabeth, ach ja«, wiederholte der Vater. »Ich weiß, dass er sie in deine Obhut gab, als sie noch ein Kind war und du ein Jüngling, doch daraus erwachsen keine weiteren Verpflichtungen! Vergiss es, mein Sohn.«
»Es war mehr als das, und das wisst Ihr auch«, rief Albrecht erregt aus. »Ich erinnere mich genau, mit Euch darüber gesprochen zu haben, und Ihr habt es mit Wohlwollen betrachtet; leugnet das nicht!«
Nun erhob auch der Vater die Stimme. »Ja, das war zu einer Zeit, da ihr Vater hier als Bischof noch das Sagen hatte und nicht sparsam mit Gold und Pfründen in seiner Verwandtschaft umging. Das kannst du nicht vergleichen, und das weißt du genau, denn ich habe keinen Dummkopf großgezogen. Heute ist sie nur noch der Bankert eines alten, machtlosen Kirchenmannes, und selbst wenn ich dich nicht auf dem großen Weg des Pflegers und des Fürstbischofs sehen würde, wäre Elisabeth ganz sicher nicht die Braut, die
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