Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
Marienberg.«
Johann von Brunn erwiderte nichts, doch er wunderte sich, dass sein erklärter Feind unter dem Kapitel ihn so gut verstand.
»Kommen wir also zu Eurem zweiten Anliegen, der Rückkehr in Euer altes Leben, und da muss ich Euch leider sagen: Dieser Teil des Plans wird nicht aufgehen!«
»Warum nicht?«, rief der Bischof.
»Weil Ihr Eure Rechnung mal wieder ohne das Kapitel und die anderen Kräfte im Land gemacht habt, wie beispielsweise den Rat der Stadt Würzburg.«
Der Bischof machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ach, der bürgerliche Pöbel, um den muss man sich kein allzu großes Kopfzerbrechen machen.«
Hans von Grumbach überhörte den Einwand und fuhr fort: »Jedenfalls ist keiner, der im Herzogtum Franken etwas zu sagen hat, dafür, Euch wieder in Amt und Würden zu setzen, am allerwenigsten die Domherren des Kapitels. Nein, da werden sie sich eher auf einen neuen Kandidaten einigen, der den Auftrag des Pflegers übernehmen wird, um nach Eurem Ableben mit der Bischofswürde belohnt zu werden.«
»So seht Ihr das«, widersprach Johann von Brunn. »Ich aber sage Euch, es gibt nicht wenige unter den Domherren, die sich
auf meine Seite schlagen werden, sobald ich nur mit dem kleinen Finger winke. Unterschätzt meine Macht nicht!«
Hans von Grumbach schüttelte mit bedauernder Miene den Kopf. »Vielleicht ist es das Alter, das Euch Euren Blick trübt. Ich jedenfalls sehe noch klar und die anderen Herren des Kapitels ebenso, und so entgeht ihnen auch nicht, dass der kleine Finger, oder besser gesagt die Hand, die da winkt, vollkommen leer ist. Verzeiht, für so senil halte ich Euch dann doch nicht, dass ich annehme, Ihr könntet glauben, irgendjemand wäre allein Eurer Person so in Liebe verbunden, dass er dieser leeren Hand erneut Treue schwören würde.«
»Was erdreistet Ihr Euch?«, rief der Bischof erzürnt, doch dann ließ er sich gegen die hohe Lehne zurückfallen. Eine Weile schwieg er und bewegte die unterschiedlichsten Gedanken, ehe er fragte:
»Sind wir nun beim Kern Eures Besuchs angelangt?«
Hans von Grumbach nickte. »Ja, das habt Ihr richtig bemerkt. Nun kommen wir zu dem Vorschlag, den ich Euch unterbreiten möchte. Nachdem wir bereits festgestellt haben, dass Ihr nicht an Euer eigentliches Ziel gelangen werdet, müssen wir uns fragen, was wäre das Zweitbeste für Euch? Die Antwort ist einfach: ein Pfleger, der in Eurem Sinne handelt und Euch zukommen lässt, was Ihr verdient.«
»Ach, und der sollt wohl Ihr sein?«, giftete der Bischof und stürzte einen weiteren Becher Wein herunter. »Ausgerechnet ich soll Euch zu Amt und Würden verhelfen? Das ist dreist! Ihr meint wohl, ich weiß nichts von Euren Intrigen gegen mich?«
Hans von Grumbach hob die Schultern. »Ich nehme an, Eure Tochter hat Euch alles erzählt. Es ist schon eine Last mit der Neugier der Frauen. So muss ich eben einen anderen Weg einschlagen, um ans Ziel zu gelangen.«
»Und der wäre, das einstige Opfer Eures Mordplans zum Helfer zu wandeln?«, ergänzte der Bischof ein wenig fassungslos.
»Genau! Ihr habt es mit Eurem messerscharfen Verstand sofort erfasst.«
»Ha!« Bischof von Brunn sprang auf, das Messer, mit dem er sich gerade ein wenig vom Kapaun hatte abschneiden wollen, wie ein Schwert in der Hand. Die Spitze auf den Besucher gerichtet rief er leidenschaftlich aus:
»Niemals! Das wird niemals geschehen!«
Der Dompropst ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Spart Euch Eure Worte. Mir ist klar, dass Ihr Euch erst beruhigen und dann bei Verstand über meinen Vorschlag nachdenken müsst. Ihr solltet erwägen, welch Vorteile es für Euch bedeuten würde. Daher schlage ich vor, wir widmen uns von nun an nur noch diesen köstlichen Speisen und dem nicht minder guten Wein, und Ihr gebt mir Eure Antwort, wenn Ihr begriffen habt, dass Euch gar nichts Besseres passieren kann, als einen Pfleger auf dem Marienberg zu wissen, der Euch gewogen ist!«
Auf der Festung Unser Frauenberg herrschte immer noch Ratlosigkeit. Nicht nur das Domkapitel tagte, auch die Kapitularen von Neumünster und der bürgerliche Rat. Ein Ausschuss des führenden fränkischen Adels war in Würzburg eingetroffen, um sich zu beraten. Dass ein neuer Pfleger gewählt werden musste, darüber war man sich schnell einig. Dass es möglich sein sollte, das Land von einem Ausschuss von Vertrauten zu regieren, daran glaubten sie nicht wirklich, dennoch traten die adeligen Schiedsrichter noch einmal zusammen, die bereits bei der Wahl
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