Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
des ersten Pflegers dem Kapitel beratend zur Seite gestanden hatten. Unter ihnen Georg von Henneberg, Wilhelm von Castell, Konrad von Weinsberg, der Truchseß Fritz von Baldersheim und Ditz von Herbilstat. Statt des Verstorbenen wählte man seinen Bruder Albrecht von Wertheim zu ihnen, der dem Ruf nur ungern folgte, sich der Aufgabe aber nicht entziehen konnte. Immerhin würde er so nicht nur
bei den Beratungen des Kapitels anwesend sein, sondern auch stets sogleich erfahren, was die Ritterschaft plante. Sein Vater gab sich mehr als zufrieden, obwohl Albrecht in seiner Entscheidung hart blieb. Er würde für dieses Amt nicht zur Verfügung stehen! Er hatte Elisabeth sein Versprechen gegeben, und er würde diesen Schwur niemals brechen! Nicht für den Posten als Pfleger und nicht für das Bistum Würzburg und das gesamte Herzogtum Franken!
»Ich habe es meinem Vater gesagt, so wie du es wolltest.«
Albrecht nahm Elisabeth in die Arme. Endlich waren sie alleine. Jeanne trieb sich draußen im Gang und auf der Treppe herum, um sie vor unliebsamen Überraschungen zu bewahren.
Elisabeth wusste nicht, ob sie sich darüber freuen oder um ihn fürchten sollte. »Und wie hat dein Vater reagiert?«
»Reden wir nicht darüber. Er war nicht erfreut, doch er wird sich an den Gedanken gewöhnen. Ich fürchte nicht, dass sich die Familie deswegen entzweien wird, also mach dir keine Sorgen, mein Herz. Für uns wird alles gut.«
Elisabeth seufzte. »Ich kann nur hoffen, dass du recht hast. Welch schwere Schicksalsschläge brechen über dich herein. Und nun muss ich dein Los noch weiter erschweren.«
»Deine Beichte, die dir auf der Seele brennt? Nein, Elisabeth, lass es. Es gibt im Augenblick Wichtigeres. Das ganze Land ist in Aufruhr und ohne eine feste Hand, es zu führen.«
»Ich weiß, und dennoch hörst du mir jetzt zu! Es gibt keine Ausflüchte mehr. Ich will deinen Schmerz bestimmt nicht vergrößern, aber er wird ganz sicher nicht kleiner sein, wenn du es irgendwann einmal durch Zufall erfährst. Nein, dreh dich nicht weg, und versuche auch nicht, mich durch diese bittende Miene davon abzuhalten. Du musst wissen, was in diesem Jahr geschehen ist!«
»Warum? Warum willst du mich quälen? Es hat mit einem anderen Mann zu tun, nicht wahr? Du hast an unserer Liebe
gezweifelt, während ich fort war, doch er hat dich enttäuscht. Deshalb hast du dich entschlossen, in dieses Kloster zu gehen. Doch warum in den alten Abfällen wühlen? Du bist zur Besinnung gekommen, und nun ist zwischen uns alles wieder gut.«
Elisabeth sah ihn verblüfft an. »Wie kommst du auf solch einen Gedanken?«
Er ging nicht darauf ein und sagte stattdessen: »Ich habe recht, und nun ist es gesagt und vergessen.«
Elisabeth atmete tief durch, schloss kurz die Augen, um sich zu sammeln, und sah ihn dann fest an.
»Nein, du hast nicht recht. Du hast nie meine Liebe und mein Herz verloren, doch ich hatte alles verloren, meine Erinnerungen, meine Familie, meine Vergangenheit und meine Zukunft. Nein, sei jetzt still, und höre mir zu, denn ich muss es dir in der richtigen Reihenfolge berichten, damit du verstehst, dass ich nicht anders handeln konnte und dass mich zumindest keine Schuld trifft, in solch eine Situation geraten zu sein. Es fing damit an, dass ich ein Gespräch belauschte, das nicht für meine Ohren bestimmt war, und erwischt wurde. Die Ritter Seitz von Kere und Bernhard von Seckendorf sprachen über einen Mordanschlag, den sie im Auftrag des Domherrn von Grumbach ausführen wollten.« Sie ignorierte seinen Ausruf und sprach rasch weiter. »Das Opfer sollte mein Vater sein, und Domherr von Grumbach wollte dessen Nachfolge antreten. Eigentlich war mein Leben zu Ende, als sie mich ertappten. Ich bekam einen Schlag auf den Kopf und versank in Schwärze und Vergessenheit. Diese dauerte ein Jahr. Mein Körper erwachte zwar wieder, doch die Erinnerungen kehrten erst nach einem Jahr wieder.«
»Und deshalb warst du im Kloster, mein armer Liebling?«
Elisabeth schüttelte den Kopf. Es bereitete ihr körperlichen Schmerz, ihm seine Hoffnung zu rauben.
»Nein, als ich erwachte, fand ich mich in einem anderen
Haus wieder. Es war das Frauenhaus der Eselswirtin in Würzburg.«
Sie erwartete einen Ausruf, doch der Schmerz ließ ihn nur stumm zusammenzucken. Dennoch sprach sie weiter. Sie quälte ihn nicht mit Einzelheiten, doch sie schonte ihn auch nicht. Ihr Körper war anderen Männern zu Diensten gewesen! Viele Male. Und auch wenn sie ihre Liebe
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