Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
er mir ausweichen. Obwohl er mir versichert hat, ich müsse mir keine Sorgen machen. Doch ich sage dir ehrlich, was mich noch mehr besorgt, ist das offensichtliche Strahlen seines Vaters und seines Oheims, die ihren Triumph nicht verbergen können. Es drängen sich mir schlimme Vermutungen auf.«
Jeanne versuchte wie immer, sie zu trösten. »Vielleicht denken sie, es würde alles so laufen, wie sie es wünschen, und Albrecht fürchtet noch die letzte Auseinandersetzung mit Vater und Onkel. Wie kann er sein Wort brechen? Er ist ein Ritter, der weder dich noch seine Ehre verraten würde.«
»Wollen wir es hoffen, Jeanne«, erwiderte Elisabeth kläglich und erhob sich, um zum Mahl hinunterzugehen.
Sie wusste, dass sie nicht darauf hätte hoffen dürfen, und dennoch fühlte sie sich ein wenig enttäuscht, dass sie ihren
Platz nicht bei Albrecht fand. Er saß zwischen dem Weinsberger und Dompropst von Grumbach! Ob das etwas zu bedeuten hatte? Zaghaft ließ Elisabeth den Blick über den Tisch wandern, um vielleicht irgendetwas in seiner Miene oder seinen Augen lesen zu können, doch er hielt den Blick beharrlich gesenkt. Der von Grumbach neben ihm dagegen war sichtlich verstimmt, während Konrad von Weinsberg eher erleichtert wirkte. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihr aus, das sich zu Furcht ausweitete, als die Brüder Hans und Michael von Wertheim mit kaum übersehbarem Strahlen in den Gesichtern den großen Saal betraten und bei den wichtigen Männern des fränkischen Adels Platz nahmen. Nein, da ging etwas vor sich, das ihr ganz und gar nicht gefallen konnte.
Elisabeth musste nicht lange warten, bis sie Antwort auf ihre brennende Frage erhielt. Es war der Dompropst von Grumbach, der sich erhob und mit deutlichem Widerwillen verkündete, dass dies ein guter Tag für Franken und das Bistum Würzburg sei, denn das Land würde nicht länger wie eine Herde ohne Schäfer sein.
»Die Nachfolge des Pflegers Johann von Wertheim, den Gott der Herr nach so kurzer Zeit unerwartet zu sich genommen hat, wird sein Bruder Albrecht von Wertheim antreten. Darauf haben sich das Kapitel der Herren des Doms und von Neumünster mit den edelsten Vertretern des fränkischen Adels verständigt. Sie entsprechen somit auch dem Vorschlag und dem Wunsch unseres aus der Regierung ausgeschiedenen Bischofs Johann II. von Brunn, der noch auf dem Zabelstein weilt und sich entschuldigen lässt.«
Zum Glück standen nun alle geräuschvoll von ihren Plätzen auf, hoben die Becher und sagten einen feierlichen Trinkspruch. So ging Elisabeths Ruf in der allgemeinen Unruhe unter. Auch sie war aufgesprungen und sah zu Albrecht hinüber, aber nicht, um ihm für die große Aufgabe, die vor ihm lag, Glück, Erfolg und Gottes Segen zu wünschen. Sie starrte nur
entsetzt zu ihm hinüber. Er würde den Weg der Kirche nicht verlassen. Im Gegenteil, er würde in der katholischen Hierarchie aufsteigen, würde zuerst als Pfleger die Verwaltung Frankens übernehmen und dann gar als ihr Fürstbischof. Albrecht würde ihren Vater beerben und ein mächtiger, reicher Mann werden – und er würde sein Eheversprechen brechen und sie nicht heiraten.
»Was ist denn los? Ihr seht nicht gut aus. Setzt Euch, Jungfrau Elisabeth«, riet der Kaplan an ihrer Seite, und erst jetzt bemerkte sie, dass sie die Einzige war, die noch immer stand. Immer mehr der Männer starrten neugierig zu ihr herüber. Nur Albrecht mied ihren Blick.
»Ihr habt recht, mir geht es nicht gut«, bestätigte sie die Vermutung des Kaplans, doch statt sich zu setzen, raffte sie ihre Gewänder und schritt so langsam und stolz hinaus, wie es ihr möglich war. Erst draußen auf dem Treppenabsatz begann sie zu laufen, rannte in den dunklen Hof hinunter und blieb erst stehen, als sie glaubte, keine Luft mehr zu bekommen. Langsam schritt Elisabeth zum inneren Hof zurück. In ihrem Kopf summte es, doch ihr Geist war noch nicht bereit, darüber nachzudenken, was die heutige Entscheidung für sie und ihre Zukunft bedeutete.
Als sie sich der Basilika näherte, trat ein Mann aus dem Dunkeln an ihre Seite. Sie erkannte ihn erst, als er sie ansprach.
»Ihr seid überrascht? Habt Ihr geglaubt, Albrecht würde sich gegen seine Familie stellen? Er wäre kein Ritter von Ehre, würde er so etwas tun.«
Elisabeth sah zu Hans von Wertheim auf, doch es war zu dunkel, als dass sie seine Miene hätte erkennen können.
»Ein Ritter von Ehre bricht aber auch keinen Schwur, den er geleistet hat!«
»Ihr meint, er hat
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