Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
und Eurem Oheim wäre im Augenblick kein Ziel dringlicher? Ich weiß, sie haben bereits versucht, manch Mitglied des Kapitels auf ihre Seite zu ziehen.«
»Eure Kundschafter haben Euch nichts Falsches berichtet, dennoch bleibt es bei meiner Entscheidung: Ich stehe nicht zur Verfügung, denn ich werde in den Ritterstand zurückkehren und Eure Tochter Elisabeth ehelichen, so wie ich es bereits vor Jahren geschworen habe.«
»Das ist Euer letztes Wort?«
Albrecht nickte. »Ja, diese Entscheidung ist endgültig. Und nun darf ich mich empfehlen.«
Der Bischof betrachtete ihn nachdenklich. Es konnte ihm nicht schmecken, seine Pläne durchkreuzt zu sehen. Aber er war kein Mann, der leicht aufzugeben bereit war.
»Friedlein, du hast es gehört, der Ritter von Wertheim möchte sich auf den Heimweg machen. Geh in den Hof, und gib Anweisung, sein Pferd zu satteln und vorzuführen.«
Der Narr erhob sich schwerfällig und hinkte zur Tür. »Ich vermute, Ihr seid nicht damit einverstanden, dass ich Euren Befehl zum Fenster hinausrufe? Nein? Das dachte ich mir. Zu schade. Dabei sind die Worte, die nicht für meine Ohren bestimmt sind, stets die interessantesten.«
Er humpelte hinaus und schloss die Tür hinter sich. Der Bischof wartete noch einige Augenblicke, ehe er mit barscher Stimme den Gast aufforderte, sich noch einmal zu setzen.
»Ihr dürft sogleich aufbrechen und den Zabelstein noch in dieser Stunde hinter Euch lassen, doch zuerst hört Ihr mir genau zu. Ihr seid also noch immer entschlossen, meine Tochter
Elisabeth zu heiraten, obwohl sie ein Jahr lang auf so – sagen wir – ungewöhnliche Weise verschwunden ist?«
»Ja, und nichts, was Ihr sagt, kann mich daran hindern«, gab Albrecht leidenschaftlich zurück. »Ihr braucht nun nicht solch ein Gesicht zu ziehen, Exzellenz, und mir unangenehme Nachrichten ankündigen, von denen Ihr meint, sie würden mich derart entsetzen, dass ich mich von diesem Versprechen entbinde und Euren Plänen zur Verfügung stehe. Ich weiß alles! Elisabeth hat es mir erzählt.«
Der Bischof kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe. »Wirklich alles? Und Ihr schreckt dennoch nicht vor einer Eheschließung zurück? Erstaunlich. Ganz erstaunlich. Dann muss es doch so etwas wie selbstlose Liebe zu einem Weib geben, was ich stets bezweifelt habe. Oder ist es nur der Gedanke an das überkommene Ideal der Ehre eines Ritters, die Ihr nicht verletzen wollt? Egal, das interessiert mich nicht wirklich. Ich möchte, dass Ihr Pfleger werdet.«
»Vergesst diesen Plan. Ich stehe nicht zur Verfügung. Ich werde heiraten!«, widersprach Albrecht bockig.
»Jaja, das habt Ihr mir ja nun deutlich gesagt. Nun haltet aber mal den Mund, bis ich mit meinen Ausführungen zu Ende bin. Ausgerechnet der von Grumbach war es, der mich davon überzeugte, wie wichtig es sei, einen Pfleger auf den Posten zu berufen, der mir gewogen oder zumindest verpflichtet ist.«
»Ich bin weder das eine noch das andere«, fiel ihm Albrecht ins Wort. Der Bischof seufzte.
»Abwarten, ich bin mit meiner Ausführung noch nicht zu Ende. Ich dachte ja zuerst, ich könnte Euch die Augen öffnen und Euch somit überzeugen, im Schoß der Kirche zu verbleiben, aber ich muss sagen, das, was sich mir jetzt bietet, ist noch viel besser, und ich wäre ein Narr, wenn ich nicht annehmen würde, was mir soeben in den Schoß fällt.« Johann von Brunn fixierte den jungen Domherrn mit einem Blick, dass
Albrecht ein Stück zurückwich. Was für eine Teufelei hatte sich der Bischof nun ausgedacht?
»Dann wollen wir einmal sehen, wie weit es mit Eurer Liebe und Eurer Ehre bestellt ist«, fuhr er fort. Albrecht spürte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten.
»Er kommt mir ein wenig verschlossen vor«, wagte Jeanne zu bemerken, als sie Elisabeth in deren Gemach beim Umziehen half. Die beiden vom Kapitel und dem fränkischen Adel bestimmten Hauptleute der Festung, Georg von Henneberg und Konrad von Weinsberg, die die Verwaltung vorübergehend übernommen hatten, bis ein neuer Pfleger ernannt sein würde, richteten heute ein Mahl aus, zu dem nicht nur das gesamte Kapitel erscheinen würde, sondern auch ein großer Teil der Ritterschaft, die sich augenblicklich in und um Würzburg aufhielt. Es war der Graf von Wertheim, der Elisabeth aufgefordert hatte, an diesem Mahl teilzunehmen, nicht sein Sohn Albrecht, der seit seiner Rückkehr eine ernste, in sich gekehrte Miene zur Schau trug. Elisabeth nickte.
»Ja, es kommt mir so vor, als würde
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