Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
durch ihre Träume. Sie sah sich hungrig und in Lumpen gehüllt an der Eselswirtin Tür klopfen. War sie nicht eine Dirne? Hatte Else ihr nicht gesagt, dass man dieses Schicksal nicht wie ein Gewand wieder abstreifen und gegen ein besseres tauschen konnte? Nein, diese Schmach wurde zur eigenen Haut, die von nun an Teil des Körpers blieb und der man nicht mehr entfliehen konnte.
Der Strudel geriet in Bewegung, umkreiste sie immer schneller und riss sie mit sich. Er würde sie mit hinunterziehen, kein Zweifel, und mit ihr auch Jeanne und Gret, denen sie so leichtfertig ein besseres Leben versprochen hatte.
So tief sie die Verzweiflung auch erfasst hatte, in diesem Augenblick, als sie Albrecht in die Augen sah, empfand sie nur Wut.
»Nein, so meinte ich das nicht. Es ist nicht so, wie es dir im Augenblick erscheint«, erwiderte er hilflos.
»Ach ja?« Elisabeth hob die Brauen. »Was könnte ich denn an dieser Ankündigung missverstanden haben? Du wirst in Vertretung meines in die Verbannung geschickten Vaters
Pfleger, und wenn er denn endlich von Gott abberufen wird, zum Fürst und Bischof von Franken. Ein stolzer Weg, den du da eingeschlagen hast, ja, das muss ich sagen. Und das in so jungen Jahren. Vielleicht sollte ich nicht selbstsüchtig sein und sehen, dass es nahezu unmöglich war, dieser Versuchung zu widerstehen, wo doch auch der Oheim und dein Vater dich so drängten. Ja, es ist gut, dass wir uns hier noch einmal begegnen und ich dir gratulieren kann. Mehr hat wohl kein einfacher fränkischer Ritter in so jungen Jahren erreicht.«
»Der Ton wandelt deine Worte in giftige Pfeile, die mein Herz durchbohren«, entgegnete Albrecht traurig. »Vielleicht hast du recht, mir zu zürnen, doch es entspricht nicht der Wahrheit, wenn du mir unterstellst, ich würde auch nur einen Gedanken an Macht und Reichtum verschwenden. Ich sehe es in deinem Blick, dass du zweifelst, aber es ist die Wahrheit. Und es waren auch weder die Bitte noch der Befehl der Grafen von Wertheim, die mich schweren Herzens – wie ich betonen möchte – dazu brachten, diesen Weg einzuschlagen, der mir genauso wenig willkommen ist wie dir.«
»Erwartest du, dass ich nun dein schweres Schicksal beweine?« , zischte Elisabeth.
»Nein, nur dass du mir zuhörst. Ich war fest in meinem Entschluss und wollte nicht weichen noch wanken, als dein Vater mich zu sich rief. Es war sein Vorschlag und sein Wille, den er zu jedem Preis durchzusetzen bereit war. Mehr kann und will ich dazu nicht sagen.«
Elisabeth fiel ihm ins Wort. Wenn das überhaupt möglich war, fühlte sie sich noch zorniger als zuvor. »Dann ist das alles die Schuld meines Vaters, willst du mir das sagen? Er hat entschieden? Ich dachte, er sei abgesetzt und dämmere machtlos auf dem Zabelstein seinen letzten Tagen auf Gottes Erde entgegen. Und nun trägt plötzlich er die Schuld, dass du dein Wort brichst? Was willst du mir noch von ihm berichten?
Er scheint sich ja für jede Schandtat zu eignen. Warum nicht auch zum Totengräber meiner Zukunft?«
Albrecht seufzte resignierend und hob die Arme, nur um sie kraftlos wieder fallen zu lassen. »Sprechen wir nicht über deinen Vater. Sprechen wir über uns.«
»Es gibt kein ›uns‹ mehr!«, rief sie verbittert. »Hast du das nicht schon vor Tagen entschieden?«
»Nein, ja – ach, ich weiß, ich kann dir im Moment die Ehe nicht mehr antragen, das stimmt, aber mir blieb keine andere Wahl. Glaube mir, ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Vielleicht ist das der bessere Weg – gerade auch für dich! So wird sich an den gewohnten Pfaden deines Lebens nichts ändern. Du bleibst hier, auf dem Marienberg, in deinen eigenen Gemächern, in deiner angestammten Heimat. Ist es nicht das, was du dir gewünscht hast? Du musst nicht in eine unbekannte Zukunft fliehen, nicht gegen Widerstände kämpfen und um die Bequemlichkeit deines täglichen Lebens fürchten.«
»Aha, so hast du dir das also gedacht.« Ihre Stimme klang trügerisch sanft, wäre da nicht dieses kriegerische Funkeln in den Augen gewesen, das jeden warnen sollte, der sie kannte. »Du würdest also deine schützende Hand über mich halten?«
»Ja, wie der Bischof früher, und dir soll es an nichts fehlen.«
Elisabeth nickte langsam. »Diese Rolle hast du mir also zugedacht. Es sollte mich nicht wundern, nicht wahr? Was hätte ich Besseres zu fordern? Der Graf von Wertheim hat es mir ja bereits gesagt. Mit dem Makel meiner Geburt und so ganz ohne Geld und Macht.
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