Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
Euch die Ehe versprochen?« Der Junker machte eine wegwerfende Handbewegung. »Es war einfältig
von Euch zu erwarten, er würde Euch in allen Ehren heiraten. Ich will Euch nicht beleidigen, doch wer seid Ihr? Nicht einmal von ehelicher Geburt, und er ist ein Ritter aus dem Grafengeschlecht von Wertheim!«
»Und dennoch hattet Ihr früher nichts gegen diese Verbindung einzuwenden«, zischte Elisabeth. »Auch damals war Euch der Makel meiner Geburt durchaus bekannt.«
Hans von Wertheim lachte trocken. »Ich habe Euch stets für ein Weib erachtet, das mit mehr Geist als üblich gesegnet ist, also stellt Euch nicht dumm. Ihr wisst, dass man unter manchen Umständen über so etwas hinwegsehen kann.«
»Ihr meint, wenn der Bankert einen reichen und mächtigen Vater aufweisen kann?«, fragte Elisabeth in ätzendem Ton, doch der entging dem Ritter entweder oder er war nicht bereit, darauf einzugehen.
»Ja, genau so ist es. Und da Euer Vater zwischenzeitlich weder reich noch mächtig ist, muss Albrecht nun eben den Weg einschlagen, der für ihn der vielversprechendste ist.« War seine Stimme eben noch distanziert und hart gewesen, schwang nun Verständnis in ihr.
»Ich weiß, Ihr fürchtet um Eure Zukunft, und Ihr müsstet das mit Recht, wenn Albrecht sich nun von Euch abwenden würde. Doch das verlangt ja keiner von ihm. Ich weiß, er ist Euch ernsthaft zugetan.«
»Wie sollte das gehen? Er wird Pfleger und später Bischof. Die Ehe ist ihm versagt.«
»Ja, das schon, doch er könnte Euch dennoch bei sich behalten und für Euch sorgen. Gut für Euch sorgen, sodass Ihr nichts vermissen müsstet.«
Elisabeth wich ein wenig zurück. »Schlagt Ihr mir vor, seine Mätresse zu werden?«
Sie sah gegen den Nachthimmel, wie er die Schultern hob. »Nennt es, wie Ihr wollt. Eine Art Ehe zur Linken, wenn es Euch besser gefällt. Denkt nach, ehe Ihr dieses Angebot mit
Abscheu von Euch weist. Was habt Ihr Besseres zu erwarten?«
Und mit diesen Worten ließ er Elisabeth sprachlos im finsteren Burghof zurück.
»Elisabeth, bitte, bleib stehen und hör mir zu.«
Sie drängte sich an ihm vorbei und ging mit gerafften Röcken weiter.
»Bitte, lass es mich erklären.« Er überholte sie und trat ihr dann in dem nicht allzu breiten Korridor so in den Weg, dass sie innehalten musste, wollte sie sich nicht mit Ellenbogen den Weg mit Gewalt freimachen, was sie in ihrer Verzweiflung und ihrem Zorn durchaus erwog.
»Was gibt es da zu erklären? Du hast deine Entscheidung getroffen und sie vor dem ganzen Land verkünden lassen. Das ist dein gutes Recht. Es wäre mir nur lieber gewesen, du hättest es mir zuvor gesagt und mir die Peinlichkeit erspart, vor dem gesamten Kapitel und der Ritterschaft in meinem Erschrecken dazustehen, sodass sie sich an meiner Einfältigkeit ergötzten.«
»Es tut mir leid. Ich weiß, dafür gibt es keine Entschuldigung. Ich wusste nur nicht, wie ich es dir sagen sollte.«
Elisabeth hatte sich gerade an ihm vorbeigedrängt, als seine Worte den Zorn noch höher auflodern ließen.
»Ach, du meinst, nur dafür, dass du zu feige warst, es mir zu sagen, gibt es keine Entschuldigung?« Sie stemmte die Hände in die Hüften und funkelte ihn an.
Zwei Tage waren seit der abendlichen Tafel vergangen, bei der die Verkündung des Dompropstes von Grumbach ihr den Boden unter den Füßen weggezogen und sie in ungeahnte Verzweiflung gestürzt hatte. Seitdem wechselten ihre Stimmungen von Wut in Verzweiflung und dann wieder in Verständnis, dass er nach dieser Beichte nicht mehr bereit war, sein Eheversprechen einzulösen. Welcher Mann würde über
so etwas hinwegsehen können? Nein, selbst ein Ritter von Ehre durfte nach diesen Verfehlungen seinen Schwur brechen. Das konnte sie ihm nicht zum Vorwurf machen. Auch wenn sie ganz und gar unschuldig in diese Misere geraten war. Das tat nichts zur Sache. Sie hatte nicht nur ihre Jungfräulichkeit verloren, sie war durch und durch beschmutzt.
Und dennoch, argumentierte ein Teil ihrer selbst dagegen, wenn wieder einmal der Zorn die Oberhand gewann. Hatte er nicht stets gesagt, er könne ihr alles verzeihen? Er würde zu ihr stehen, ganz gleich, welche Prüfungen Gott der Herr ihm bereiten würde? Elisabeth hatte sich nichts vorzuwerfen. Ihr Herz und ihre Seele waren ihm treu geblieben. In diesem Moment übernahm dann meist die Angst. Egal, ob sie seine Entscheidung nun verstehen und ihm verzeihen konnte oder nicht, was sollte nun aus ihr werden? Schreckliche Szenen zuckten
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