Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
ernst:
»Nein, das kann ich dir nicht sagen, und auch nicht, zu welchem Entschluss er kam, denn seine Worte waren so leise, dass nicht einmal der Küster, der zu dieser Zeit im Chor weilte, sie verstehen konnte.«
Elisabeth schnaubte durch die Nase. »Wie beruhigend, dass es anscheinend doch noch etwas gibt, das nicht die ganze Burg weiß.«
Jeanne ließ sich nicht beirren. »Auch wenn wir nicht sicher wissen, wie seine Entscheidung ausgefallen ist und ob die Muttergottes ihm den rechten Rat gegeben hat, so bin ich dennoch zuversichtlich, dass er zu seinem Wort stehen wird, denn er liebt dich von Herzen.« Gret schnaubte vernehmlich, doch Jeanne sprach weiter. »Es ist für einen Mann nur schwer, solch eine Vergangenheit anzunehmen. Gib ihm die Zeit, die er dafür braucht, und freue dich, denn danach wird nichts mehr zwischen euch stehen. Keine Lüge wird eure Liebe trüben«, sagte sie feierlich.
»Wenn ich nur dieselbe Zuversicht empfinden könnte wie du«, sagte Elisabeth mit Sehnsucht in der Stimme.
»Dann wärst du genauso einfältig wie Jeanne«, meinte Gret.
»Nimm ihr nicht die Hoffnung«, schnaubte die kleine Französin. »Wie soll es denn mit ihr weitergehen, wenn Albrecht sich von ihr abwendet?«
»Das weiß Gott allein. Warten wir ab, was geschieht, wenn Albrecht zurückkommt.« Gret zog eine Grimasse.
»Uns bleibt bis dahin unsere Arbeit zu tun, was mich daran erinnert, dass mich in der Küche noch ein Berg an schmutzigem Geschirr erwartet und eine Tracht Prügel, wenn ich noch länger hier draußen bei euch bleibe. Daher empfehle ich mich für heute Nacht. Elisabeth, lass den Kopf nicht hängen, das Leben wird irgendwie weitergehen. Und Jeanne, setz ihr nicht noch mehr deiner Flausen in den Kopf!« Mit diesen Worten schritt sie in stolzer Haltung durch die Bastion davon.
»Manchmal wünschte ich, ich könnte mit Gret tauschen«, murmelte Elisabeth.
»Was?«, ereiferte sich Jeanne. »Um sich dem Zorn dieses Küchenmeisters auszusetzen, Stunde um Stunde Gemüse zu putzen und bis in die Nacht Töpfe zu schrubben?«
»Oh, ich weiß, dass sie schwer arbeiten muss, das habe ich nie bezweifelt, und dennoch weiß sie, wo ihr Platz ist, und wird ihr Leben dort noch viele Jahre fortführen können. Eine tüchtige Küchenmagd wird auf dieser Burg immer gebraucht, mögen die Herrscher auch kommen und gehen. Für Gret wird sich nichts ändern. Was interessiert es sie, wer im Saal ihr Brot und ihr Gemüse verzehrt?«
»Und was ist, wenn sie sich unabsichtlich etwas zuschulden kommen lässt? Wenn ein Mann sein Auge auf sie wirft und sie ihn ablehnt? Oder sie lässt es zu und bekommt ein Kind? Sie wird krank oder gerät mit jemandem in Streit, der mehr zu sagen hat als sie? Was dann? Dann steht sie schneller wieder auf der Straße, als du dich einmal umdrehen kannst, und ihr Leidensweg beginnt von vorn. Vielleicht führt er sie wieder zur Eselswirtin oder direkt auf die Landstraße. Nein, schau mich nicht so entsetzt an. Es ist die Wahrheit. Unser aller Schicksal liegt im Nebel der Zukunft verborgen, und es kann uns alle jederzeit aus unserer Bahn werfen. Nicht nur dich, Elisabeth!«
Was gab es daraufhin noch zu sagen? Fast ein wenig beschämt,
nur an sich selbst und ihre eigenen Ängste gedacht zu haben, schritt Elisabeth neben Jeanne in den Palasflügel zurück.
Kapitel 8
S eine Exzellenz lässt den Herrn von Wertheim bitten«, sagte der Diener höflich und verbeugte sich vor Albrecht. »Wenn Ihr mir bitte folgen wollt.«
Der junge Domherr trat hinter ihm in einen kleinen Speisesaal, in dem ein mächtiges Feuer brannte. Der Tisch war für mehrere Personen gedeckt; es waren aber nur zwei Männer anwesend: der entmachtete Bischof von Brunn und sein Narr Friedlein. Albrecht grüßte und versuchte sich seine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Doch er hatte das Gefühl, die listigen Augen des Narren würden ihn durchschauen. Das verschobene Gesicht wirkte noch schiefer, als Friedlein grinsend seine Zähne sehen ließ. Er sagte allerdings nichts, sondern überließ das Reden seinem Herrn. Der begrüßte den Gast mit den Worten: »Ihr habt Euch Zeit gelassen. Ich dachte schon vor Stunden, mit Euch rechnen zu können. Aber gut, jetzt seid Ihr hier, und wir können zur Sache kommen. Setzt Euch, greift zu und hört Euch an, was ich beschlossen habe.«
Es widerstrebte Albrecht, den Anweisungen des Hausherrn zu folgen; dennoch ließ er sich auf einen Stuhl sinken. Es ärgerte ihn, dass er so mit ihm sprach,
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