Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
Zumindest sah er nicht schlimmer aus als sonst. Er verzog sein schiefes Gesicht noch mehr und grinste sie an.
»Einen wunderschönen guten Morgen, Fräulein Elisabeth. So früh schon aus den Federn? Ich muss Euch mit Bedauern mitteilen, dass Ihr Euch ganz umsonst aus Eurem warmen Bett gequält habt. Erstaunlich, was für eine starke Kraft die Neugier doch ist.«
Weshalb sollte sie ihm widersprechen? Er lag mit seiner Bemerkung ja nicht falsch. Elisabeth seufzte. »Dann sind die Herren also noch nicht auf? Kein Wunder – nach der langen Nacht. Es ist hart zugegangen, nicht wahr? So lange, wie sie tagten. Sind sie gar in ihre Gemächer, ohne eine Einigung erzielt zu haben?«
Friedlein schüttelte sichtlich amüsiert den Kopf. »So viele Fragen auf einmal. Also zu Nummer eins: Ja und nein, der Bischof geruht noch zu ruhen, die anderen Herren sind bereits abgereist.«
»Abgereist?«, echote Elisabeth entsetzt. »So früh?« Der Narr ließ sich nicht unterbrechen.
»Nummer zwei: Ja, es fielen harte Worte, und es wurde schwer gerungen, und Nummer drei: Sie haben eine Einigung erzielt. Zumindest denkt das Euer Vater.«
Elisabeth stutzte. »Und Ihr? Denkt Ihr das nicht?«
Friedlein wiegte den Kopf. »Nennt mich den ungläubigen Thomas, doch ich habe schon viele Beschlüsse gehört, die in den verbrieften Urkunden nicht mehr wiederzuerkennen waren und noch weniger in die Tat umgesetzt wurden. Es heißt zuerst einmal abwarten.«
»Und wie lauten die Worte des Beschlusses, an deren Umsetzung Ihr nicht glaubt?«
Friedlein lachte. »Nein, Fräulein Elisabeth, so geht das nicht. Ihr müsst Euch schon ein wenig mehr anstrengen, wenn Ihr mir eine unbedachte Äußerung entlocken wollt. Das war dann doch zu direkt und plump. So etwas kann ich nicht belohnen.«
Fröhlich vor sich hinkichernd hinkte er davon und ließ eine ziemlich verstimmte Elisabeth zurück, die unruhig im Hof auf und ab ging, bis ihr Vater sich endlich von seinem Lager erhob und sie die Gelegenheit nutzte, ihn während des Frühmahls gleichfalls zu bestürmen. Allerdings mit ebenso wenig Erfolg.
Das Einzige, das sie sicher zu sagen wusste, war, dass der Bischof glänzender Laune war und ihn eine steigende Unruhe erfasste, die Elisabeth wie freudige Erwartung erschien. Diese Stimmung hielt einige Tage an, bis ein berittener Bote auf dem Zabelstein anlangte, der ein Schreiben vom Marienberg brachte – so viel gelang es Gret in Erfahrung zu bringen.
Nachdem der Bischof das Siegel gebrochen und das Schreiben während des Mittagsmahls gelesen hatte, trübte sich seine Stimmung ein. Mehr noch. Sie schlug in blanken Zorn um. Elisabeth sah, wie sich seine Wangen rot färbten, während er das Schreiben ein zweites Mal las, so, als müsse er sich versichern, dass ihn seine Augen nicht trogen.
Er sprang so ungestüm von seinem Stuhl auf, dass dieser umkippte und zu Boden polterte.
Elisabeth verschluckte sich an ihrem Bissen Brot und musste husten. Friedlein klopfte ihr auf den Rücken.
»Er wagt es!«, brüllte der Bischof in höchstem Zorn, sodass die beiden Diener, die gerade den nächsten Gang auftrugen, erschreckt zur Tür zurückwichen.
»Er wagt es, mir das zu schreiben!«
Elisabeth öffnete den Mund, um zu fragen, hielt dann aber angesichts seiner wutverzerrten Miene inne. Vielleicht war es nicht ratsam, in diesem Augenblick seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Friedlein schien zu einer ähnlichen Entscheidung zu kommen. Er hörte mit dem Klopfen auf ihren Rücken auf und lehnte sich mit vor der Brust verschränkten Armen in seinem Scherenstuhl zurück, sichtlich gespannt darauf, was nun folgen würde.
Bischof von Brunn stampfte erbost mit dem Fuß auf. »Diese unbedeutende Laus eines kläglichen Rittergeschlechts, die mein Einfluss ins Licht der Welt gehoben hat, wagt es, sich mir zu widersetzen!«
Elisabeth fing Friedleins Blick auf, der zu sagen schien: Habe ich es nicht prophezeit? Beiden war klar, dass der Bischof nur den Pfleger Albrecht meinen konnte. Der hatte sich vermutlich nach einer längeren Beratung mit dem Kapitel entschlossen, von den auf dem Zabelstein besprochenen Vereinbarungen Abstand zu nehmen.
Bischof von Brunn tobte, er zerriss das Schreiben in kleine Fetzen und warf sie in die Luft. »Das wird er mir büßen!«, schrie er und stürmte zur Tür. »Damit wird er nicht davonkommen. Er wird sehen, dass ich noch ganz andere Geschütze auffahren kann. Oh ja, er sollte zittern vor meinem Zorn, den er so leichtfertig auf sich
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