Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
vor seinem Lehensherrn.
»Auftrag wie befohlen ausgeführt, Exzellenz«, sagte er knapp. »Wir trafen nur auf geringe Schwierigkeiten. Er war in Gesellschaft einiger Chorherren, doch da Ihr sagtet, Ihr hättet nur an ihm Interesse, haben wir sie laufen lassen.«
Elisabeth betrachtete den Gefangenen, der mit gefesselten Händen auf seinem Pferd saß. Auch die Füße hatten sie ihm unter dem Bauch des Pferdes zusammengeschnürt. Vermutlich hatte er sich seiner Gefangennahme widersetzt, denn sie entdeckte einige Blessuren. Der Ärmel seines Wamses war zerschnitten und voll getrocknetem Blut, und auch sein Gesicht wies Spuren eines Kampfes auf. Starr saß er auf seinem Pferd, den Rücken stolz durchgedrückt, den Blick starr geradeaus gerichtet. Unverhohlener Zorn blitzte in seinen Augen.
Elisabeth schlug sich die Hand vor den Mund, um sich nicht zu einer unbedachten Bemerkung hinreißen zu lassen. Ja, diesen Mann kannte sie allerdings. Es war der Graf Hans von Wertheim, Albrechts Vater, den sie auf dem Rückweg von Schweinfurt abgefangen hatten. Verwirrt und entsetzt zog sich Elisabeth in ihr Gemach zurück. Nein, es war sicher nicht
klug, ihrem Vater vor der versammelten Mannschaft das zu sagen, was ihr auf den Lippen brannte.
Elisabeth musste bis zum späten Abend warten, bis sie ihn alleine in seinem Gemach antraf. Seine Mätresse war nicht zu sehen. Überhaupt fiel Elisabeth auf, dass sie nicht mehr so oft an seinem Hals hing. Der Bischof war der einfältigen Frau wohl langsam überdrüssig, und sie nahm es ihm vielleicht übel, dass er sie nicht mehr mit solch üppigen Geschenken bedachte wie zu Zeiten, da er noch der mächtigste Mann Frankens gewesen war. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie den Zabelstein verlassen und sich einen anderen Gönner suchen würde. Nun, Elisabeth würde ihr keine Träne nachweinen und ihr Vater vermutlich ebenso wenig.
Elisabeth trat vor ihn. Seine Laune war merklich gestiegen, seit der Gefangene auf der Burg angelangt war, der nun vermutlich in dem kalten, feuchten Verlies unter dem Bergfried saß.
»Meine Tochter, was kann ich für dich tun?«, fragte er freundlich, als sie nach dem Klopfen eintrat.
»Du hast Hans von Wertheim gefangen nehmen lassen«, begann sie vorsichtig.
Er strahlte über das ganze Gesicht. »Ein kluger Schachzug, nicht wahr? Ja, du darfst mich zu diesem Einfall beglückwünschen. Nun werden wir ja sehen, ob dieses Nichts von einem Pfleger sich noch einmal weigern wird, meinen Wünschen Folge zu leisten.« Für einige Momente war Elisabeth einfach nur sprachlos.
»Aber Ihr könnt ihn doch nicht einfach widerrechtlich in ein Verlies sperren, nur damit Ihr ein Druckmittel habt.«
»Warum nicht?« Er war über ihren Einwand ernsthaft erstaunt. Elisabeth konnte es nicht fassen.
»Weil Ihr Euch ins Unrecht setzt. Ihr handelt wie die Raubritter, die Ihr früher verfolgt und bekämpft habt. Ihr habt den
von Wertheims ja nicht einmal die Fehde erklärt und Euch angekündigt!«
Der Bischof machte eine wegwerfende Handbewegung. »Dafür war nicht die Zeit. Ich musste schnell handeln und die Gelegenheit nutzen. Wer weiß, wann ich wieder so leicht an ihn herangekommen wäre. Mach dir keine Gedanken, mein Kind. Diese Räuberbande von einem Domkapitel und das Geschmeiß der bürgerlichen Ratsherren haben mich um mein von Gott verliehenes Recht gebracht. Da darf ich mich ja wohl aller Mittel bedienen, um diesen Fehler zu korrigieren!«
»Aber Ihr habt einen Vertrag geschlossen, dass Ihr auf die Regierung verzichtet und Euch auf den Zabelstein zurückzieht«, warf Elisabeth ein.
»Sie haben mir dieses Siegel in einem schwachen Moment abgepresst. Nein, ich bin hier von Gottes Gnaden Landesfürst, und nichts und niemand darf mir dieses Recht nehmen, bis der Herr mich zu sich in sein himmlisches Reich ruft.«
»Dann sprich mit ihnen und entführe nicht den Vater des rechtmäßig eingesetzten Pflegers!«, versuchte es Elisabeth noch einmal.
»Wenn das aber der einfachere und vielversprechendere Weg ist, Einfluss zu gewinnen?«, erklang Friedleins Stimme von der offenen Tür. Ohne Aufforderung hinkte der Narr ins Zimmer.
»Fräulein Elisabeth, Ihr werdet doch nicht auf des Bischofs alte Tage seine stets bewährten Methoden infrage stellen?«
Elisabeth schluckte, wandte sich um und ging ohne ein weiteres Wort hinaus. Ja, der Narr hatte recht. Dies war oft das Mittel der Wahl gewesen, das ihr Vater angewandt hatte, wenn er mit Verhandlungen nicht ans Ziel
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