Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
gezogen hat!«
»Was kann er Albrecht antun wollen?«, fragte Elisabeth bang, als sie später Jeanne und Gret in ihrem Gemach von
dem Vorfall berichtete. Natürlich hatte es sich bereits bis in den letzten Winkel der Burg herumgesprochen, und jeder, von der Küchenmagd bis zum Turmwächter, wusste, dass der Pfleger des Bistums sich den Zorn des Bischofs auf sein Haupt geladen hatte.
»Der von Wertheim sollte in nächster Zeit aufpassen, was er isst und trinkt«, meinte Gret. Jeanne fiel sofort über sie her.
»Er ist immerhin Lisas Vater. Wie kannst du ihm solch böse Dinge unterstellen?«, protestierte sie und legte schützend den Arm um die Freundin.
Gret jedoch blieb bei ihrer Meinung. »Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Bischof von Brunn ist bei der Wahl seiner Mittel noch nie zimperlich gewesen. Das wissen wir alle. Ob er nun Lisas Vater ist oder nicht, tut dabei nichts zur Sache. Oder wollt ihr euch lieber etwas vorlügen?«
Elisabeth konnte sich der Wahrheit in Grets Worten nicht entziehen. Ihr wurde plötzlich kalt. War es möglich, dass doch ihr Vater für den Tod des Pflegers Johann verantwortlich war und nun auch einen Mord an Albrecht beauftragen würde? Sosehr er sie gekränkt hatte und sie ihm zürnte, konnte sie doch nicht wünschen, dass er einem Anschlag zum Opfer fiel. Aber was konnte sie tun, das zu verhindern? Ihren Vater anflehen, Albrecht zu verschonen? Würde er ihr diesen Gefallen tun? Plante er überhaupt solch eine Ungeheuerlichkeit? Und was würde er dazu sagen, wenn er gar nicht an solch eine Tat dachte, seine eigene Tochter es ihm aber unterstellte?
Vielleicht war es besser, zuerst ein ernstes Gespräch mit Friedlein zu führen. Er kannte seinen Herrn besser als sie.
»Ihr wollt ernsthaft mit einem Narren reden? Fräulein Elisabeth, das ist ein Widerspruch in sich. Ist Euch das nicht bewusst?« Er zog eine alberne Grimasse.
»Friedlein, nun macht hier nicht den Possenreißer!«, rief sie empört. »Ich weiß, dass Ihr mehr klaren Verstand habt
als viele andere, die sich Berater nennen, und dass mein Vater Eure Meinung hoch in Ehren hält.«
Der Narr lachte ein wenig bitter. »Ja, ich würde meinem Kopf durchaus Verstand unterstellen, kann jedoch nicht behaupten, dass der Herr Fürstbischof sich meine Ratschläge stets zu Herzen nimmt. Ich bin sein Narr, vergesst das nicht, und keiner der Großen hat es gern, wenn die Eitelkeit zu sehr angekratzt und die Klugheit zu oft infrage gestellt wird.«
»Aber wir können es nicht zulassen, dass er solch eine Sünde auf sein Gewissen lädt!«
Friedlein winkte ab. »Sein Gewissen hält so einiges aus und ist Kummer gewöhnt, das kann ich Euch versichern. Aber ich will Euch beruhigen. Zumindest im Moment trachtet der Herr Vater nicht danach, des Pflegers Kopf auf einem silbernen Tablett serviert zu bekommen. Er hat sich einen anderen Plan ausgedacht.« Der Narr seufzte, und Elisabeth war klar, dass auch dieser nicht Friedleins Zustimmung fand.
»Was hat er vor?«
Doch wieder einmal war der Narr nicht bereit, das Vertrauen, das sein Herr in sein Stillschweigen setzte, zu enttäuschen.
»Ich kann Euch nur so viel sagen, dass Euer Vater seinen Diener und Rat Michel von Schwarzenberg mit einigen Männern gen Schweinfurt geschickt hat«, antwortete er rätselhaft.
»Nach Schweinfurt? Was sollen sie denn da? Ich verstehe das nicht!«
Doch mehr war aus Friedlein nicht herauszuholen, und so musste Elisabeth drei Tage warten, bis die Antwort in Person auf dem Zabelstein anlangte.
Es war am späten Nachmittag, als der Wächter auf dem Turm die Ankunft einiger Reiter verkündete und dann, als die Männer so nah herangekommen waren, dass man die Wappen auf den Schabracken erkennen konnte, die Rückkehr des Ritters von Schwarzenberg bekannt gab.
»Er ist mit allen Männern zurück. Zwei scheinen verwundet, doch sie führen einen Gefangenen mit sich.«
»Ah, dann war ihre Mission erfolgreich!« Der Bischof rieb sich vergnügt die Hände. Elisabeth, die hinter ihrem Vater in den Hof trat, sah ihn fragend an.
»Ein Gefangener?«
»Aber ja! Einer, der dir nicht unbekannt sein dürfte«, frohlockte Bischof von Brunn. Und da bereits das Fallgitter knarrte und Hufschlag auf der Brücke erklang, unterließ es Elisabeth, ihn nach dem Namen zu fragen, und drängte sich stattdessen nach vorn, um den Mann in Augenschein zu nehmen.
Die Ritter und Edelknechte preschten in den Hof. Ritter von Schwarzenberg sprang von seinem Ross und verbeugte sich
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