Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
gesagt?«
»Du zweifelst an meinen Worten?« Sie reckte sich und versuchte sich an einem Respekt einflößenden Blick.
»Nein, das nicht …«
»Aber? Kommt der Bischof sonst etwa stets persönlich zu dir, um dir deine Anweisungen zu erteilen?«
»Nein, natürlich nicht. Das ist nicht Aufgabe des hohen Herrn. Er spricht mit Ritter Baierdorfer oder dem von Schwarzenberg oder mit Friedlein, und sie geben dann die Befehle an uns einfache Männer weiter.«
»Gut, und heute komme eben ich, um dir zu sagen, dass du deinen Spieß nehmen und zu deinem Lager oder zu den anderen auf die Plattform hinaufsteigen sollst.«
Stefan zögerte noch einen Moment, dann ging er mit einem Seufzen davon. »Dass ich das nur nicht bereuen muss«, hörte sie ihn murmeln.
Elisabeth wartete noch, bis seine Schritte die nächste Treppenwindung erreicht hatten, dann packte sie den Riegel mit beiden Händen und schob ihn auf. Zögernd blieb sie im Türspalt stehen und sah in die düstere Zelle.
Graf Hans von Wertheim erhob sich von seinem Strohsack, der die einzige Annehmlichkeit in dem kargen, steinernen Raum war. Er legte die Hand an die Brust und neigte das Haupt.
»Das war eine nette Vorstellung, Fräulein Elisabeth. Ein wenig Abwechslung nach diesem ereignislosen Tag voller Langeweile. Nun, was verschafft mir die Ehre?«
»Ich möchte mit Euch sprechen, doch schwört mir zuerst, dass Ihr nichts tun werdet, was ich Euch nicht gestatte!«
Der Graf grinste schief und trat einen Schritt näher. »Ihr meint so etwas wie mich Eurer Person zu bemächtigen und Euch als Geisel zu nehmen, um mir den Weg aus der Burg zu erzwingen?«
Elisabeth kaute nachdenklich auf ihrer Lippe. »Ja, so in der Art, wobei der Einfall nicht der schlechteste ist, denn ich fragte mich noch immer vergeblich, wie ein Gefangener, dem es gelungen ist, seinem Verlies zu entwischen, sicher und ohne Schaden aus den Mauern der Burg entkommen könnte. Vorläufig möchte ich jedoch nur mit Euch reden.«
Graf von Wertheim schnitt eine Grimasse. »Weshalb? Was sollten wir beide zu besprechen haben?«
»Ich war Euretwegen sehr zornig, als wir das letzte Mal voneinander schieden«, sagte Elisabeth.
Der Graf hob die Augenbrauen. »Dann habt Ihr diese Farce aufgezogen, nur um Euch an meiner Schmach hier zu weiden?«
Elisabeth wehrte ab. »Aber nein! Ich wollte nur sagen, obgleich ich Euch für Euren Widerstand und diesen für mich nicht annehmbaren Vorschlag zürne, möchte ich mich von diesem Überfall distanzieren. Es ist nicht recht, was der Bischof tut, und nichts kann die Wahl seiner Mittel rechtfertigen, mit denen er versucht, Einfluss zurückzugewinnen.«
»Mir das zu sagen war Euch ein inneres Bedürfnis? Und dazu habt Ihr den Wächter weggeschickt?« Er seufzte. »Ihr seid ein seltsames Fräulein. Es ist mir völlig gleich, wie Ihr zu dieser Sache steht, und ich hege durchaus keine schlechten Gedanken Euch gegenüber, jetzt, da Ihr dem Fortkommen meines Sohnes nicht mehr im Weg steht. Albrecht ist Pfleger. Das alleine zählt. Was Ihr nun tut oder nicht tut, kann mir gleichgültig sein. Dass der Bischof von Brunn sich nicht scheut, zu solchen Mitteln zu greifen, um meinen Sohn zu erpressen,
das wundert mich nicht. Warum sollte er sich geändert haben? Er war in der Wahl der Werkzeuge nie zimperlich.«
»Wie viele andere Ritter und Grafen und noch höhere Herren auch«, gab Elisabeth scharf zurück.
Graf von Wertheim zuckte mit den Achseln. »Ja, wie viele andere auch, denen Ehre und Rittertum verloren gingen. Ich habe also vernommen, dass Ihr nicht mit der ehrlosen Handlung Eures Vaters einverstanden seid. Gibt es noch etwas? Sonst würde ich Euch nun bitten, mich zu entschuldigen. Ich möchte mich nach diesem ereignisreichen Tag auf mein gemütliches Lager zurückziehen.« Seine Stimme klang sarkastisch, während seine Hand auf den Strohsack wies.
Elisabeth rührte sich nicht von der Stelle. »Ich möchte nicht, dass mein Vater Euch gefangen hält, um Albrecht zu erpressen!«
Graf von Wertheim sah sie aufmerksam an. »Dann sollten wir die Variante, dass ich Euch als Geisel nehme, um aus der Festung zu entkommen, noch einmal ins Auge fassen.« Langsam kam er näher. Elisabeth hielt seinem Blick stand und wich nicht zurück.
Plötzlich fühlte sie eine Hand in ihrem Rücken. Sie schrie vor Schreck auf. Eine zweite umfasste eisenhart ihren Oberarm und zog sie durch den Türspalt zurück. Die Eisentür schlug tönend zu, der Riegel rastete ein. Der Griff um
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