Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
Stand aufzuklären.«
Meister Thomas nickte. »Genau. Und daher schlage ich vor, dass wir nun in den Hof zurückkehren.« Offensichtlich hatte er die neue Rolle, die Gret in diesem ungewöhnlichen Quartett spielte, akzeptiert.
Elisabeth sah in die Runde und unterdrückte ein Seufzen. »Nun gut, wenn sich meine Berater alle einig sind, dann bleibt mir ja nichts anderes übrig, als ihnen zu folgen. Auch wenn ich fürchte, es könnte für Albrecht bereits zu spät sein, sobald er sich von meinem Vater verleiten lässt, die Burg zu betreten.«
Meister Thomas bot ihr mit einer Verbeugung seinen Arm. »Unterschätzt den jungen von Wertheim nicht. Er weiß nun, was der Bischof für ein Spieler ist, und wird sich vorsehen. Auf gar keinen Fall wird er sich ohne Rückendeckung in dessen Hände begeben.«
Und richtig. Noch während sie den Wehrgang entlangschritten und die steile Stiege hinunterkletterten, diktierte der
Wertheimer dem abgesetzten Bischof die Bedingungen, unter denen er sich bereit erklären würde, die Burg zu betreten und sich mit ihm im Saal zusammenzusetzen.
Eine Weile ging es noch hin und her, bis der Bischof einsehen musste, dass er seinen Gegner nicht würde übertölpeln können. Er zog seine Männer zurück, ließ die Brücke herunter und Fallgitter und Tor öffnen. Je vier Männer des Bischofs und des Pflegers wurden am Tor postiert. Ein Dutzend Bewaffnete folgten dem Pfleger in den Hof, der Rest seiner Männer wartete draußen am Fuß der Zugbrücke mit des Bischofs Hauptmann von Schwarzenberg und seinem Kaplan Berthold in ihrer Gewalt, um zu verhindern, dass der Bischof auf unschöne Gedanken kam, sollten die Verhandlungen nicht nach seinem Willen laufen.
Ursprünglich hatte Albrecht Friedlein als Geisel an der Brücke gefordert, doch der Narr lehnte ab. Es gelang ihm, den Pfleger davon zu überzeugen, dass es durchaus in seinem Sinne wäre, den Narren mit am Verhandlungstisch zu wissen, um mit seiner Vernunft und seinem politischen Weitblick das aufbrausende Temperament seines Herrn zu kühlen. Der Wertheimer stimmte nach einigem Zögern zu.
Elisabeth fragte sich, ob dies wirklich Friedleins Absicht war oder ob er sich einfach aus der Schusslinie heraushalten wollte. Jedenfalls zogen sich Pfleger Albrecht und der Bischof in den Speisesaal zurück und setzten sich nahe dem kräftig eingeheizten Kamin ans Kopfende der Tafel. Der Wertheimer brachte den jungen Sekretär mit, der ihn bereits das erste Mal begleitet hatte. Friedlein nahm an des Bischofs Seite Platz. Nachdem genug Wein und ein wenig kalter Braten und Brot auf dem Tisch standen, schlossen sie die Türen.
Die vier Verschwörer, die ihnen in einigem Abstand gefolgt waren, blieben unschlüssig auf dem Gang stehen.
»Und jetzt?«, wollte Elisabeth wissen. »Was machen wir
jetzt? Nun ist die Gelegenheit verstrichen, und das Unglück nimmt seinen Lauf.«
Meister Thomas schüttelte den Kopf. »Nein, wir müssen uns etwas ausdenken, wie wir dem Pfleger die wichtige Information zukommen lassen können.«
»Ich gehe hinein und sage es ihm einfach!«
Wieder griffen Hände nach Elisabeths Armen, um sie zurückzuhalten.
»Politik erfordert Diplomatie«, mahnte der Apotheker. »Wir wollen nicht zu viele Scherben zurücklassen, an denen wir uns selbst schneiden.«
»Ich könnte Wein hineinbringen und ihm eine Botschaft zustecken, die Elisabeth ihm schreibt«, schlug Gret vor.
»Das ist kein schlechter Vorschlag«, lobte Meister Thomas.
»Und wenn sie dich dabei erwischen oder der Pfleger dich verrät, dann lässt dich der Bischof in seinem Zorn in Stücke schneiden«, rief Jeanne ängstlich.
»Rede keinen Unsinn!«, ermahnte Elisabeth sie, pflichtete ihr aber bei, dass dies für Gret unangenehme Folgen haben könnte. »Nein, das will ich nicht riskieren. Ich mache es lieber selbst. Mein Vater wird mir nichts tun, von dem ich mich nicht rasch erholen könnte. Nichts, was ich nicht schon erlebt hätte«, fügte sie leise hinzu, in dem Wissen, dass die Freundinnen genau wussten, wovon sie sprach.
»Elisabeth, Ihr könnt nicht plötzlich mit einem Krug Wein dort drin auftauchen«, widersprach Meister Thomas.
»Aber ich könnte mich zufällig in der Nähe der Tür laut mit jemandem unterhalten, während Wein nachgeschenkt wird und die Tür nicht ganz geschlossen ist!« Elisabeth sah in die Runde. Die anderen nickten. Sie wollten Gret gerade losschicken, um den Wein zu holen, als Friedlein die Tür öffnete und genau diese Forderung den Gang
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