Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
steif.
»Dann nehmt sie Euch zu Herzen oder geht dorthin, wo sich dasselbe noch immer befindet. Nicht dass ich die Position von Spionen und Verrätern hinter feindlichen Linien nicht anerkennen würde, aber Ihr seid nicht die Richtige für so etwas, falls Ihr nicht vorhabt, Euch unter die Märtyrerinnen einzureihen.«
»Ich bin weder eine Spionin noch eine Verräterin. Ich bin durchaus bereit, meinem Vater die Treue zu halten, solange er sich ehrenhaft verhält.«
»Ist das Eure Hoffnung?« Der Narr lachte bitter. »Ach Elisabeth, manches Mal seid Ihr so klug, dass ich fast zweifle, mit einer Frau zu sprechen, und dann wiederum denke ich, es wäre besser, Euch zu Euren Puppen zu schicken. Wacht auf! Ihr seid kein Kind mehr. Stellt Euch der Wirklichkeit und entscheidet. Denn auch Ihr müsst zu den Taten stehen, die Ihr begeht, und Ihr werdet nicht immer ein weiches Herz finden, das bereit ist, Euch zu decken. Mit mir dürft Ihr jedenfalls nicht mehr rechnen.«
»Warum?«
»Warum? Ihr seid spaßig. Weil mir meine eigene Haut lieb und teuer ist und ich nicht gerne als Verräter gevierteilt werden möchte.«
»Und dafür seid Ihr bereit, jedes Unrecht zu verteidigen? Nur weil Euer Herr es so befiehlt?«
Friedlein wich zurück und hob abwehrend die Hände. »Elisabeth, lasst das bleiben. Versucht nicht, einen Heiligen aus mir zu machen, denn deren Geschichten lehren, dass ihr Leben meist mit einem grausamen Tod endet. Ich bevorzuge es, hier auf Erden noch eine Weile ein gutes Auskommen zu finden. Was auch immer Ihr mir vorwerfen könnt, Verrat an meinem Herrn wird nicht darunter sein, und deshalb trage ich seine Entscheidungen mit, wenn er sie gefällt hat und ich keinen Einfluss mehr auf den Gang der Dinge nehmen kann.«
Elisabeth nickte ihm zu. »Danke, dass Ihr so offen mit mir gesprochen habt. Ich werde es mir zu Herzen nehmen.« Tief in Gedanken kehrte sie in ihr Gemach zurück.
Kapitel 13
A ls Elisabeth erwachte, blieb sie noch einige Augenblicke unter ihrer Daunendecke liegen. Nicht, weil es in ihrem Gemach so kalt gewesen wäre. Jeanne legte bereits Holz in der Feuerstelle nach, und die Kohlen in dem eisernen Becken zu Füßen ihres Bettes glühten noch immer. Nein, die Ereignisse des Abends brachen über sie herein, und sie fragte sich bang, was sich in dieser Nacht noch ereignet hatte, wie die Männer auseinandergegangen waren und, vor allem, in welcher Stimmung sich ihr Vater gerade befand. Ja, das war die entscheidende Frage, die sie zögern ließ, ihr Bett zu verlassen. Wie wütend war ihr Vater auf sie? Und was für Folgen würde dies für sie mit sich bringen?
Jeanne hantierte so leise wie möglich mit dem Feuerholz, um Elisabeth nicht zu stören. Sie dachte wohl, ihre Herrin schlafe noch. Es klopfte leise an der Tür, dann schlüpfte Gret ins Zimmer.
»Leise! Du willst sie doch nicht wecken!«, zischte Jeanne.
»Das wird sie aber interessieren, und außerdem ist sie bereits wach«, gab Gret ungerührt zurück, als sich Elisabeth mit einem Ruck aufsetzte.
»Was gibt es?«
»Pfleger Albrecht ist unversehrt aus dieser Verhandlung hervorgegangen. Zumindest was seine körperliche Verfassung angeht. Er muss das Tor eine Stunde nach Mitternacht passiert haben. So sagen es unsere Wächter. Die Männer des Wertheimers haben in Sichtweite über Nacht ihr Lager aufgeschlagen
und sind nun dabei, sich zum Aufbruch zu rüsten. Hier auf der Burg scheint alles ruhig.«
»Und mein Vater? Ist der Bischof schon auf?«
»Erstaunlicherweise ja. Ich habe ihn im Hof gesehen.«
»Und wie ist seine Stimmung? Konntest du etwas erkennen? Ist er noch sehr zornig?« Elisabeth zog sich die Decke bis über die Brust, als könne sie ihr ein schützendes Schild sein.
Gret legte den Kopf schief und kaute ein wenig auf ihrer Unterlippe, ehe sie antwortete. »Ich muss zugeben, die Stimmung des Bischofs gibt mir ein Rätsel auf. Auch ich habe erwartet, ihn zornig oder gar außer sich vorzufinden. Aber nein, er wirkt ganz ruhig, fast möchte ich sagen heiter.«
Elisabeth runzelte die Stirn. »Dann sind die Verhandlungen zu seiner Zufriedenheit verlaufen. Aber warum? Er hat nichts mehr in der Hand, mit dem er drohen kann. Albrecht hat unsere Worte doch vernommen, nicht wahr? Er wusste, dass sein Vater nicht mehr in der Gewalt des Bischofs ist.«
Sie sah die beiden Frauen fragend an. Gret und Jeanne nickten.
»Ich kann es mir auch nicht erklären«, fügte Gret hinzu. »Aber es ist ganz sicher nicht an mir, den Bischof zu
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