Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
fragen, woher seine gute Laune rührt.«
Elisabeth ließ die Decke sinken und schlüpfte aus dem Bett. »Nein, das werde wohl ich tun müssen. Und du bist dir sicher, dass er mir gegenüber keinen Zorn mehr hegt?«
Gret hob die Schultern. »Mir schien er aufgeräumter Stimmung. Ob sich das ändert, wenn er dich zu Gesicht bekommt, kann ich nicht sagen.«
Elisabeth schnitt eine Grimasse. »Ich werde es herausfinden.«
Sie schlüpfte aus dem langen Hemd, das sie im Winter nachts trug, und ließ sich von Jeanne ankleiden. Dann machte sie sich mit einem mulmigen Gefühl im Bauch zum Saal auf,
wo das Morgenmahl bereits aufgetragen war. Zaghaft trat sie durch die weit geöffnete Tür.
»Einen schönen Morgen wünsche ich«, grüßte sie mit ein wenig unnatürlich hoher Stimme. Die Blicke ihres Vater und des Narren richteten sich auf sie. Ansonsten saßen noch Kaplan Berthold, Meister Thomas, der Fiscal und vier der Ritter, die ihrem Vater dienten, am Tisch.
»Ah, da bist du ja, mein Kind. So früh schon munter?«, begrüßte sie der Bischof. »Mich hielt es an diesem Morgen auch nicht in den Federn. Setz dich und greif zu.«
Ja, er schien aufgekratzter Stimmung, und nichts ließ vermuten, dass er seiner Tochter zürnte. Der Narr dagegen sah sie ernst an und ließ das schiefe Lächeln vermissen, das er sonst für sie übrig hatte. Sie suchte seinen Blick, während sie sich süße Milchsuppe mit Rosinen in ihre Schale füllte, doch er schüttelte leicht den Kopf. Sollte das heißen, dass sie ihn nicht fragen oder den Bischof nicht auf die Ereignisse des Vortags ansprechen sollte? Es war Johann von Brunn selbst, der das Thema anschnitt.
»Der Wertheimer ist mit seinen Männern bereits abgezogen«, sagte er und sah in die Runde. »Ich vermute einmal, der Vertrag, den er gesiegelt hat, wiegt ihm schwer in der Tasche, doch ich habe größtes Zutrauen zu ihm, dass er ihn dieses Mal dem Kapitel gegenüber behaupten wird.« Der Bischof lächelte in sich hinein und prostete den anderen am Tisch zu. Die Ritter und der Kaplan erwiderten die Geste.
»Verzeiht, aber wie könnt Ihr Euch da sicher sein? Hat der Wertheimer das letzte Mal nicht auch alle Vereinbarungen vergessen, sobald er auf dem Marienberg eintraf?«, wagte der Fiscal Peter Eckhart einzuwerfen.
Der Bischof lächelte noch breiter. »Dieses Mal wird er nichts davon vergessen und auch nicht wagen, nur einen Buchstaben weit von unserer Abmachung abzuweichen.« Elisabeth
sah wieder den Narren an, doch der hob kaum merklich die Schultern.
»Ja, meine Freunde, hebt die Becher, und seid guter Dinge. Ich wage zu behaupten, dass wir in nicht allzu langer Zeit unsere Reisekisten packen und zur Festung Unser Frauenberg zurückkehren werden.«
Die Männer riefen aufgeregt durcheinander, dann hoben sie die Becher und ließen den Bischof hochleben. Auch Elisabeth griff nach dem mit Wasser verdünnten Wein, trank aber nicht. Ihre Gedanken schwirrten. Wie konnte das sein? Was um alles in der Welt war in der Nacht zuvor in dieser Halle geschehen?
Diese Frage stellte sie kurz darauf Friedlein, den sie im Hof auf seinem Weg zum Bergfried abpasste. Der Narr zuckte mit den Achseln.
»Ich kann es Euch nicht sagen.«
»Warum nicht? Wenn es solch große Veränderungen mit sich bringt, die auch mich betreffen, dann habe ich das Recht, es zu erfahren.«
Friedlein fiel ihr ins Wort. »Ehe Ihr mit Eurer Rechtfertigung noch weiter ausholt oder mich als Geisel nehmt und mit Eurem Messer bedroht, um mir etwas abzupressen: Ich kann es Euch nicht sagen, weil ich es selber nicht weiß. Ich bin mindestens ebenso erstaunt wie Ihr, welche Wendung dieser Abend genommen hat. Als Ihr so virtuos die Katze aus dem Sack gelassen habt und der Wertheimer erfuhr, dass der Bischof seinen Vater nicht mehr in der Hand hat, da dachte ich, er steht einfach auf und verlässt mit seinen Männern den Zabelstein. Was gäbe es auch noch zu verhandeln? Doch wie ich immer wieder feststellen musste, darf man Johann von Brunn nicht unterschätzen. Er schickte mich und den Sekretär des Wertheimers hinaus und blieb mit ihm alleine zurück. Und das Ergebnis ist ein Vertrag, der mir die Kinnlade herabfallen lässt.«
»Könnt Ihr mir den Kern des Schreibens sagen?«
Friedlein nickte. »Aber ja, und nun haltet Euch fest, Fräulein, damit Ihr nicht stolpert. Der Vertrag sagt, dass Bischof Johann von Brunn wieder an der Regierung des Landes und des Stifts Anteil nehmen wird – sonderlich an der Anlegung der
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