Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
hinunter zur Küche erschallen ließ.
Gret raffte ihre Röcke. »Sofort, Herr Friedlein, ich eile
mich!« Sie hastete davon. Der Narr schloss die Tür hinter sich.
Als Gret kurz darauf mit den beiden vollen Weinkrügen zurückkehrte, verstummte das Gespräch im Saal, sobald sie die Tür geöffnet hatte. Es war so still, dass man das Knistern der Flammen im Kamin hören konnte.
Das war der Augenblick. Elisabeth warf Meister Thomas einen Blick zu und räusperte sich nervös. Der Apotheker hob die Stimme.
»Ah, Fräulein Elisabeth, wie schön Euch zu treffen. Seid Ihr auf dem Weg in den Saal? Ist das Mahl schon aufgetragen?«
»Aber nein, das wird sicher noch dauern. Seine Exzellenz tagt mit Pfleger von Wertheim. Ich fürchte, die Verhandlungen werden sich hinziehen, wobei ich mir nicht denken kann, worum es geht, wo doch Graf von Wertheim wohlbehalten vom Zabelstein davongeritten ist. Der Schreck, den er mir bei seiner Flucht versetzte, wird mich wohl noch manche Nacht aus einem Albtraum aufschrecken lassen.«
Sie hörten rasche Schritte. Gret drückte sich mit zwei leeren Krügen in der Hand durch den Spalt. Hinter ihr schlug die Tür mit einem Krachen zu. Während das Dröhnen in dem steinernen Gang verhallte, sahen sich die vier stumm an.
»Er hat es gehört«, wisperte Gret, »war aber so geistesgegenwärtig, seine Fassung zu wahren. Nun ist es an ihm, den Trumpf klug einzusetzen.«
»Und der Bischof? Und Friedlein?«, fragte Meister Thomas leise.
»Die haben es natürlich auch gehört. Die Miene des Bischofs stand auf Sturm, doch Friedlein hielt ihn im Zaum.«
»Dann ist der Plan geglückt, und uns bleibt nichts weiter zu tun. Ich schlage vor, ihr zieht Euch mit Euren Mägden in Euer Gemach zurück. Ich werde noch ein wenig an meinen Pillen und Tränken arbeiten.«
Meister Thomas drückte Elisabeth die Hand und eilte davon.
Und obwohl Elisabeth vor Neugier und Anspannung fast verging, blieb ihr nichts anderes übrig, als seinem Rat zu folgen und sich ebenfalls zurückzuziehen.
»Und? Was gibt es Neues?«
Elisabeth fand wieder einmal keine Ruhe und schickte Gret und Jeanne in immer kürzeren Abständen durch die Burg, um sich anschließend alle Neuigkeiten berichten zu lassen. Doch viel gab es nicht. Die Geharnischten beider Seiten verharrten geduldig auf den ihnen zugewiesenen Posten. Die einzige Abwechslung war, dass sie zuerst einige Krüge Wein und später Mus und Brot bekamen. In der Halle war es verdächtig still. Zuerst schickte Albrecht seinen Sekretär und dann der Bischof seinen Narren hinaus. Auf ihn traf Elisabeth, als sie beschloss, selbst einmal nachzusehen, ob sich nicht doch endlich etwas tat. Lange war es schon dunkel, und sie konnte sich nicht denken, dass Albrecht mit seinen Männern auf dem Zabelstein übernachten wollte.
»Ah, sieh an, das Fräulein Elisabeth begibt sich auf Erkundung!«
Die Stimme des Narren drang unvermittelt aus der Dunkelheit. Erschreckt schlug sich Elisabeth die Hand vor die Brust.
»Friedlein, was treibt Euch hier heraus? Gibt es in der Halle drin nichts mehr für Euch zu tun?«
Der Narr trat so nah an sie heran, dass sie seinen Atem in ihrem Gesicht spüren konnte. »Nein, und das dürfte Euch nicht sonderlich wundern, nicht wahr? Ihr spielt ein gefährliches Spiel, Fräulein Elisabeth. Ich kann Euch zu Eurem zweiten Schachzug nur gratulieren; dennoch will ich nicht versäumen, Euch zu warnen. Ich habe den Eindruck, Ihr wisst gar nicht, wie nah Ihr am Abgrund wandelt und wie tief Ihr in die bodenlose Schwärze stürzen könntet.« Seine grünen Augen waren fast auf der Höhe der ihren und funkelten in der Dunkelheit.
»Wollt Ihr mir etwa drohen?«, gab sie genauso leise zurück. Sie konnte sich eines Schauders nicht erwehren, war aber nicht bereit, vor Friedlein zurückzuweichen.
»Ich Euch drohen? Nein, ich bin nur ein einfacher Narr, der mit seinem Possenspiel seinen Herrn erfreut – und nebenbei ein wenig über Politik und Machtspielereien plaudert. Ich mache Euch nur darauf aufmerksam, dass mein Herr fest entschlossen ist, sich das zu holen, was ihm seiner Meinung nach zusteht, und dass er dabei jedes Hindernis beiseiteräumen wird – ganz gleich, wer oder was es auch sein sollte. Und ich sage Euch: Frauen gehörten schon immer zu den Hindernissen, gegenüber denen er die wenigsten Skrupel hegte, falls ihm so etwas überhaupt bekannt sein sollte.«
»Ich habe die Botschaft vernommen. Ich danke Euch für die offenen Worte«, sagte Elisabeth
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