Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
allgemeinen Landsteuer!«
Nun klappte Elisabeth ebenfalls der Mund auf. »Das hat Albrecht gesiegelt? Ja, um Himmels willen, warum denn das? Haben das Kapitel und der bürgerliche Rat nicht Jahre darum gerungen, meinen Vater mit seinem verderblichen Einfluss auf das Land aus den Geschäften der Regierung zu entfernen?«
»Ja, das war das große Ziel, das bei Erreichen mit Jubel gefeiert wurde. Der Pfleger schien die Rettung, bis ein neuer Bischof auf seinem Thron Platz nimmt und alles zum Guten wendet.«
Elisabeth konnte es nicht fassen. »Ich verstehe das nicht. Könnt Ihr mir das erklären?«
Der Narr hob beide Arme und ließ sie dann wieder fallen.
»Nein! Mir fällt dazu nichts ein. Ich kann nur vermuten, dass es zwischen dem Bischof und dem Wertheimer etwas gibt, das so schwer wiegt, dass der Wertheimer diesen unglaublichen Forderungen nachgibt. Jedenfalls geht es zurück auf den Marienberg. Freut Euch, Fräulein, Ihr dürft diesen trostlosen Ort verlassen und Euer gewohntes Leben wiederaufnehmen.«
Ja, eigentlich hätte sie sich darüber freuen müssen. Und dennoch wollte nicht so recht die passende Stimmung in ihr aufkommen. Grübelnd kehrte sie in ihr Gemach zurück.
»Ist es wahr, dass wir die Reisekisten packen können?«, begrüßte Jeanne sie mit einem Strahlen. »Alles wird wie früher!«
Elisabeth konnte sich nicht erklären, wie die Mägde es schafften, selbst geheime Dinge so schnell in Erfahrung zu bringen. Doch im Moment beschäftigte der Vertrag ihren
Geist. Wie war dies zu erklären? Sie fragte ihren Vater, aber der war nicht bereit, sich in die Karten sehen zu lassen.
»Das ist etwas zwischen dem Wertheimer und mir, über das du dir dein hübsches Köpfchen nicht zerbrechen solltest.«
Alleine für diese Antwort wollte sie zornig aufstampfen. Nein, so schnell würde sie nicht lockerlassen.
»Habt Ihr ihn mit irgendetwas erpresst?«
»Du meinst mit etwas anderem, nachdem du ausposaunt hast, dass der Graf nicht mehr auf dem Zabelstein weilt?«
Elisabeth senkte den Blick. »Verzeiht, Vater, das war sehr unbedacht von mir.«
»Ja, das war es, und im ersten Moment habe ich dir mächtig gezürnt, meine Tochter, das kannst du mir glauben. Aber dann kam es mir, dass es sich so viel besser fügt. Ich hätte den Grafen ja ewig einkerkern müssen, um den Druck aufrechtzuerhalten, und ich fürchte, irgendwann hätten der Kaiser oder die anderen Landesfürsten ihre Macht ausgespielt, ihn freizukaufen. Und dann? Dann wäre Albrecht wieder rückfällig geworden und hätte den Vertrag gebrochen. Nein, nein, so fügt es sich besser, und ich fürchte nicht, dass seine Erinnerungen ihn im Stich lassen und er vergessen könnte, was er versprochen hat.«
»Aber warum? Woher kommt dieser plötzliche Sinneswandel?« Elisabeth ließ nicht locker. Der Bischof hob die Schultern.
»Du vermutest ein großes Geheimnis, wo es keines gibt. Albrecht ist einfach zu der Einsicht gekommen, dass er zu jung und unerfahren ist, um dieser Sache gewachsen zu sein. So ist er ganz froh, die Verantwortung zumindest zum Teil wieder auf meine erfahrenen Schultern laden zu können. Er sieht inzwischen, dass die Aufgaben eines Fürstbischofs weit größer sind, als sonntags seine Schäfchen zu segnen. Man kann sagen, diese Wochen, die er als Pfleger verbracht hat, haben ihn in die Wirklichkeit zurückgeholt.« Elisabeth sah ihren Vater zweifelnd an.
»Weißt du, es erfordert eine starke Persönlichkeit, diese drückende Regierungsbürde zu tragen. Die endlosen Beschwerden der Stiftsgläubiger, die sich über die Nichtbeachtung ihrer rechtlichen Ansprüche beklagen.« Er verdrehte die Augen zum Zeichen, was er von diesen Rechten hielt. »Die herzzerreißenden Klagen der Untertanen über ihre Beraubung, Schätzung und Misshandlung durch die Adeligen und die Unsicherheit im Handel.«
»Und deshalb hat er Euch sozusagen freiwillig Eure Regierungsgewalt zurückgegeben?«
Elisabeth glaubte ihrem Vater kein Wort. Sie konnte sich gut vorstellen, dass sich Albrecht von der ungewohnten Last bedrückt fühlte und oft nicht wusste, welchen Missstand abzustellen das Dringlichste sei – und das bei diesen verheerten Finanzen des Landes. Dennoch hatte er diese Aufgabe übernommen, um das Land voranzubringen, und wie sie von manchem Boten vernommen hatte, stellte er sich nicht schlecht dabei an. Ja, sie hatte einen Vikar gar sagen hören, der junge Pfleger habe in einem Monat mehr Gutes erreicht als der Bischof über Jahre. Was ihrem
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