Das Arrangement
Leuten verwandt zu sein. Selbst Alison, ihre Halbschwester schien genauso krankhaft veranlagt gewesen zu sein wie der Rest der Familie Fairmont. Sie waren verdorben. Alle. Emotional verkrüppelt.
Als sich Julias und Marnies Augen trafen, lag kein Bedauern im Blick der Mutter. Sie war offensichtlich nicht gewillt, sich für irgendetwas zu entschuldigen, geschweige denn Erklärungen zu liefern. “Hat Andrew sie umgebracht?”, wollte sie wissen. “Kannst du mir das wenigstens sagen?”
“Ich weiß es nicht”, musste Marnie zugeben. “Im Moment habe ich keine Ahnung, wo er sich aufhält und was er getan hat. Ich schwöre es.”
“Was willst du von mir? Du bist hier, erzählst mir diese Geschichte. Irgendwas willst du doch.”
Marnie wünschte, sie könnte einfach den Raum verlassen und nie wieder ein Wort mit dieser Frau wechseln, aber sie hatte die Warnung ihrer Großmutter im Kopf – und die Angst, was mit Gramma Jo passieren würde, wenn Marnie ins Gefängnis musste. Bestimmt würde sie das Heim wieder verlassen müssen.
“Ich bin keine kaltblütige Mörderin”, begann Marnie. “Butch hat mich angegriffen, und ich habe mich verteidigt. Aber die Polizei wird mir nicht glauben, dass ich Marnie Hazelton bin, wenn ich es nicht beweisen kann.”
“Und wie soll
ich
dir dabei helfen?”
“Es gibt keine Fingerabdrücke von mir, keine Dokumente. Es ist, als würde ich nicht existieren. Gramma meint, sie hätte eine Geburtsurkunde für mich ausgefüllt und sie dir gegeben. Hast du sie noch?”
Julia wurde vor Schreck aschfahl. “Das kann doch nicht dein Ernst sein. Ist dir klar, was passiert, wenn du verkündest, dass du meine Tochter bist? Wenn die Medien das herausfinden? Kannst du dir diesen Skandal vorstellen? Seit Jahrzehnten werden die Namen Fairmont und Driscoll mit Wohltätigkeitsarbeit verbunden. Wir sind eine ehrenwerte Familie. Erwartest du etwa von mir, dass ich das alles aufgebe?”
“Du hast
mich
aufgegeben”, entgegnete Marnie. “Zu dumm, dass du mich nicht ganz losgeworden bist. Dann hättest du jetzt nicht diesen ganzen Ärger am Hals.”
Julia ging zur Kommode hinüber, auf der drei Karaffen mit Weinbrand in verschiedenen bernsteinfarbenen Schattierungen standen. Sie füllte sich einen Schwenker bis fast zum Rand, trank die Hälfte des Schnapses in einem Zug leer und stellte das Glas mit einem Knall wieder ab.
“Unser Gespräch ist beendet.”
“Beendet?” Marnie sah sie starr vor Schreck an. Warf Julia sie tatsächlich hinaus? Ihr Leben lag in den Händen dieser Frau. Ohne Julia hatte Marnie keinen richtigen Anwalt, keinerlei Unterstützung. Sie besaß nicht mal Geld, außer dem wenigen, das sich in ihrer Tasche befand. Und das gehörte Andrew. Sie musste Julia begreiflich machen, in welcher Lage sie sich befand. Ein Skandal war nicht zu vergleichen mit dem, was Marnie erwartete.
“Wie können wir fertig sein?”, sagte sie. “Was soll ich denn machen?”
“Das ist mir egal. Mein Leben ist ruiniert. Verlass bitte mein Haus. Ich möchte allein sein.”
Marnie nickte. Ihre Panik war jetzt erneut blanker Wut gewichen, sie kochte innerlich. Julia hatte sich nie um ihren Bastard gekümmert, warum sollte sich das ausgerechnet jetzt ändern. Es gab nichts, was Marnie sagen oder tun konnte, um die Liebe ihrer Mutter zu gewinnen. Für Julia existierte nur ihre vornehme, heile Welt. Marnie hatte dort nie hineingepasst und würde es auch nie tun. Julia hatte versucht, sie abzutreiben, und als das fehlgeschlagen war, hatte sie sie verstoßen. Marnie verstand, dass Frauen manchmal gezwungen waren, schreckliche Entscheidungen zu treffen. Sie mussten es tun, um ihr eigenes Leben zu retten. Aber Julia hatte ein hilfloses Kind im Stich gelassen, und das offensichtlich nur, weil sie den Anblick der Deformationen nicht ertragen konnte, die sie durch ihre Unverantwortlichkeit selbst verschuldet hatte.
“Ich bin schon weg”, verkündete Marnie. Sich Julias Gnade ausliefern? Auf keinen Fall. Sie drehte sich auf dem Absatz um und verließ das Zimmer. Mit dieser herzlosen Hexe und ihrer Familie war sie fertig. Fertig.
Marnie hatte ihre Koffer herausgeholt und begonnen zu packen. Währenddessen zerbrach sie sich verzweifelt den Kopf darüber, welche Möglichkeiten ihr blieben.
“Kann ich mal mit dir reden?”, rief Julia von draußen.
Marnie wandte sich vom Terrassenfenster ab, aus dem sie das halbe Dutzend Leute beobachten konnte, das immer noch vor dem Eingangstor stand, obwohl bereits
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