Das Arrangement
Rüstung.
In ihren Riemchensandaletten und dem engen Rock stöckelte Julia über den Marmorfußboden auf Marnie zu, ergriff ihre Hand und zog sie zum Spiegel zurück. “Siehst du?”, sagte sie nur.
Ihre Stimme hörte sich heiser an, und ihre Augen glänzten verdächtig, als sie sich und ihre Tochter nebeneinander im Spiegel betrachtete. Marnies Haar stand nach allen Seiten ab, und Julias Lächeln wirkte wie eingefroren. Nicht gerade die beste Mutter-Tochter-Aufnahme, aber eine gewisse Ähnlichkeit war nicht zu leugnen. Inzwischen wusste Marnie ja auch, warum. Was sie ebenfalls wusste, war, dass sie in echten Schwierigkeiten steckten. Hier war etwas fürchterlich faul.
“Da draußen stehen Nachrichtenreporter”, sagte Marnie, entschlossen, sich diesmal Gehör zu verschaffen. “Ist irgendetwas vorgefallen, während ich weg war?”
“Die Polizei war heute Morgen hier. Die CSI – na ja, du weißt schon, die Spurensucher, wie aus der Fernsehserie, die dein Bruder so liebt. Sie haben dein Zimmer noch einmal durchsucht und sind dann durch unsere Abfalleimer gegangen. In deinem haben sie was gefunden und es mitgenommen, ein Kleidungsstück.”
Himmel noch mal. Marnie hatte nicht bemerkt, dass etwas aus ihrem Kleiderschrank fehlte. Doch war jetzt tatsächlich der richtige Zeitpunkt, sich mit solchen Einzelheiten aufzuhalten – oder gar ihre Mutter zur Rede zu stellen? Es blieb ihr keine andere Wahl. Den richtigen Zeitpunkt würde es dafür wohl nie geben. Für niemanden von ihnen.
“Was genau haben sie denn im Müll gefunden?”, wollte sie wissen. “Und wie ist das dahin gekommen?”
“Das weiß ich nicht, Alison. Man hat mir nicht erlaubt, dabei zu sein. Sie sagten, ich würde sie bei der Untersuchung behindern. Deshalb haben sie mich wieder aus dem Zimmer geschickt und mir mehr oder weniger zu verstehen gegeben, dass ich ihnen aus dem Weg gehen soll.”
“War Bret da? Weiß er, was passiert ist?”
“Dein Bruder hat mir vorgeschlagen, zusammen mit ihm einen Strandspaziergang zu machen, während die Durchsuchung lief. Es war wohltuend.”
Wohltuend?
“Ist Bret jetzt zu Hause?”
“Nein, er hat ein Vorstellungsgespräch in der Redaktion eines Männermagazins. Kannst du dir das vorstellen? Wenn er den Job bekommt, wird er nach New York ziehen. Er sagt, das sei schon immer sein großer Traum gewesen. Zu guter Letzt scheinen sich die Dinge für unsere Familie doch immer ins Positive zu entwickeln, nicht wahr? In der Beziehung hatte die Familie großes Glück.”
Marnie starrte sie ungläubig an. Angesichts Julias merkwürdig leerem Lächeln wurde ihr fast übel. “Was ich nicht verstehe”, sagte sie, “warum nimmst du das alles nicht ernst? Ich bin wegen zweifachen Mordes angeklagt. Vielleicht muss ich ins Gefängnis, mich erwartet womöglich die Todesstrafe.”
Julia seufzte. “Jetzt werde bitte nicht melodramatisch. Du wirst nicht ins Gefängnis kommen, nicht für eine Sekunde. Dafür sorgt dein Anwalt schon.”
Marnie verschwendete ihre Zeit nicht weiter mit Diskutieren. Menschen wie Julia glaubten, Geld könne alle Probleme lösen, oft genug war es ja auch so. Diejenigen, die es hatten, kauften das, was sie haben wollten, von denen, die nichts hatten. Ein trauriges Vermächtnis des Amerikanischen Traums. Aber diesmal würde es nichts bringen, den richtigen Anwalt zu bezahlen. Das hier war fürchterlich kompliziert.
“Es wird schon wieder alles gut”, sagte Julia.
“Nein, das wird es nicht. Du musst dich jetzt bitte hinsetzen. Ich habe dir etwas zu sagen.”
Julia blinzelte. “Kann das nicht warten? Ich bin auf dem Weg zum Lunch, und ich brauche diese Ablenkung dringend.”
Marnie baute sich vor ihr auf und versperrte Julia den Ausgang. “Nein, das kann nicht warten. Setz dich. Hast du gehört?
Setz dich jetzt bitte.”
Einen kurzen Moment erschien die wahre Julia unter der polierten Oberfläche, als sie Marnie einen wütenden Blick zuwarf. Ihre Augen blitzten auf. Sie war verärgert, aufgebracht. Gut, nun würden sie vielleicht ein Stück weiterkommen.
“Ich sitze.” Julia ließ sich auf eine Couch neben dem Fenster nieder, öffnete ihre Guccitasche und nahm das Kosmetiketui heraus. “Beeil dich”, sagte sie und öffnete die Puderdose, um sich im Spiegel zu betrachten.
“Ich habe LaDonna Jeffries oder Marnie Hazelton nicht getötet.”
Julia korrigierte den Lippenstift mit ihrem Fingernagel. “Natürlich nicht. Das habe ich auch nie vermutet. Niemand glaubt das. Du bist
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