Das Arrangement
war es Zeit für ein paar Toasts, und anschließend würde es noch mehr Champagner geben und Tanz.
“Möge diesem wundervollen Paar noch weiteres Glück beschert werden”, sagte Julia. “Wie wäre es zum Beispiel mit Enkelkindern für mich? Es sind jetzt schon
vier
Jahre, ihr beiden!”
Das Lachen der Gäste wurde nun lauter, und Marnie spürte, wie sie rot wurde, allerdings nicht aus dem Grund, den man hätte vermuten können. Julias aufgesetzt herzlicher Trinkspruch hatte sie völlig überrumpelt und vor allem die Bemerkung über Enkelkinder hatte sie wirklich überrascht. Das musste Julia wohl wegen der Gäste gesagt haben. Sie wollte wohl jeden wissen lassen, was für eine liebevolle, großzügige Mutter sie doch war.
Die vergangenen Tage waren alle ausnahmslos der Partyvorbereitung gewidmet gewesen, und Julia hatte Marnie fast jede Minute mit Beschlag belegt. Sie hatte ganz offensichtlich vor, eine Mutter-Tochter-Bindung herzustellen. Oder war ihr Ziel ein ganz anderes? In ihren Unterhaltungen streute Julia stets unauffällig ein paar Bemerkungen über Andrews mögliche Gewalttätigkeit ein. Nichts wurde deutlich ausgesprochen, aber unterschwellig deutete sie an, dass er gefährlich sein könne und Alison sich womöglich in Acht nehmen müsse.
Fühlst du dich in seiner Nähe entspannt? Ist alles in Ordnung zwischen euch? Natürlich, ich bin sicher, dass er dich nie geschlagen hat, wenn er wütend war, Alison, aber befürchtest du, dass es mal passieren könnte?
Offensichtlich hegte Julia noch immer Zweifel an der Uneigennützigkeit von Andrews Beweggründen. Sie sprach es nicht offen aus, aber es war offensichtlich, dass sie glaubte, Andrew sei für Alisons Unfall auf der Jacht verantwortlich. Das deutete sie zumindest immer wieder an, wahrscheinlich um zu prüfen, wie ihre Tochter reagierte.
Marnie wich Julias Fragen aus, indem sie erklärte, wie dankbar sie für Andrews Hilfe und Zuwendung während ihrer Genesungsphase sei. Sie erinnerte Julia daran, dass er ihr das Leben gerettet hatte, und Julia hatte es daraufhin auch gut sein lassen. Doch ihr plötzlicher Gesinnungswandel verdutzte Marnie nichtsdestotrotz. Was bezweckte Julia damit, sie und Andrew übers ganze Gesicht strahlend in aller Öffentlichkeit mit Huldigungen zu überhäufen? Man könnte fast meinen,
sie
wolle Kinder von Andrew haben.
“Hoch, hoch!”, rief jemand.
Champagnerflöten wurden in die Luft gestreckt, und immer mehr fielen in die Glückwünsche ein. Marnie wollte gerade ebenfalls nach ihrem Glas greifen, hielt aber noch rechtzeitig inne. Eine der ersten Regeln der gesellschaftlichen Etikette: Toaste dir nicht selbst zu.
Andrew nahm ihre Finger und zog sie an seine Lippen, so als habe sie die Hand nach ihm ausgestreckt. Sie war ihm dankbar für diese Rettungsaktion. Als sie ihn lächelnd ansah, war ihr bewusst, dass ihr Gesicht immer noch glühte, doch bei all dieser Aufregung war das wohl verzeihlich. Sie hatte die rosafarbenen Diamantohrringe angelegt, die Andrew ihr am ersten Abend ihrer Ankunft in Sea Cloud gegeben hatte. Es schien ihr wichtig, die Zweifel abzuschütteln und allen zu zeigen, dass sie zusammengehörten, Seite an Seite standen, in diesem Saal voller Menschen, die ihr fremd waren.
Die Menge applaudierte und verlangte weitere Trinksprüche. Marnie war sich nicht sicher, was von ihr erwartet wurde. Zum Glück nahm Andrew seine Champagnerflöte, erhob sich und ergriff das Wort. Zuerst wandte er sich an Julia, bedankte sich für dieses wundervolle Fest, das sie veranstaltet hatte, dann richtete er sich an die Gäste, drückte seine Freude über ihr Erscheinen aus und erklärte, wie glücklich er sich schätzte, eine solche Frau zu haben.
Er sprach ruhig und wohl moduliert mit leicht europäischem Akzent. Marnie war unglaublich stolz auf ihn. Dass er nie vollkommen durchschaubar war und oft geheimnisvoll auf sie wirkte, vergrößerte seine Anziehungskraft. In Smoking und Fliege erschien er ihr sogar noch männlicher als sonst. Wenn überhaupt etwas an ihm beunruhigend war, dann seine bewundernswerte Ungezwungenheit. Er schien sich in dieser märchenhaften Umgebung, unter all diesen vornehmen Gästen wie zu Hause zu fühlen.
Der Chinesische Pavillon, der an die Terrasse im Erdgeschoss des Hauses angrenzte, war eine offene Pergola in der Größe eines kleinen Ballsaals. Von dort aus hatte man einen traumhaften Blick übers Meer. Julia und ihre Helfer hatten den Raum für die Feier dekoriert und aus ihm etwas
Weitere Kostenlose Bücher