Das Arrangement
leise weiterspielten.
“Meine Schwester Alison sollte alles bekommen, was sie so reichlich verdient hat …”
Doch die Musiker stimmten in diesem Moment einen lauten Gesang an und übertönten so den Rest von Brets Rede. Marnie aber stand nahe genug am Podium, um zu verstehen, was er sagte. Ihr gefror das Blut in den Adern.
Meine Schwester Alison sollte alles bekommen, was sie so reichlich verdient hat … und ich werde zugegen sein, wenn dieses Miststück am Ende ist und ihr verdammter französischer Versager ebenfalls.
Es war kaum zu glauben, wie sehr er Alison zu hassen schien. Aber Marnie hatte feststellen müssen, dass er nicht der Einzige war. Auch Tony Bogart konnte sie zu ihren erklärten Feinden zählen, und selbst Julias Gefühle für ihre Tochter waren ganz zweifellos zwiespältig. Sogar bei Andrew spürte sie manchmal noch die Abscheu, die Alison galt. Die Liste der Leute, die Alison etwas hätten antun wollen, wurde immer länger. Und vielleicht war die Gefahr noch lange nicht ausgestanden.
Andrew strich ihr über die Hand, er hatte Bret also ebenfalls gehört.
Sie zog sie verwirrt zurück. Zu viel war ihr inzwischen klar geworden. Andrew war womöglich nur so aufmerksam, weil er wollte, dass sie hierblieb, seinen Plan mit ihm durchführte, was immer dieser Plan war. Vielleicht durfte sie ihm auch nicht trauen. Ihr ganzes Leben lang war Marnie das Objekt von Hass und eine Zielscheibe für Aggressionen gewesen. Sie hatte es auf ihr verunstaltetes Gesicht geschoben, doch inzwischen hatte sie das Gesicht – und das Leben – einer Frau, die schön und privilegiert war. Doch der Hass, der ihr nun entgegengebracht wurde, war nicht minder stark. Auch die wahre Alison schien ein Opfer von Gewalt geworden zu sein. Was steckte wohl hinter ihrem Verschwinden?
Andrew nahm Marnies Hand. “Komm mal mit.”
“Wohin gehen wir?” Sie konnte kaum mit ihm Schritt halten, als er sie zu einer der Treppen zog, die auf die tiefer gelegene Terrasse führte. Ihre hochhackigen Sandaletten klackerten auf dem Boden, doch das hörte niemand. Die Party war inzwischen in vollem Gange. Nachdem Bret seinen Trinkspruch beendet hatte, erschien die Dave Matthews Band. Sie spielte gerade ihr erstes Set, und alle klatschten und sangen mit. Man war begeistert, dass es Julia gelungen war, diese Stars zu gewinnen. “Wir machen uns aus dem Staub, bevor ich noch jemanden umbringe”, erwiderte Andrew.
“Bret?”
Ein finsteres Lächeln erschien kurz auf Andrews Gesicht. “Wie hast du das erraten?”
“Ich habe gehört, was er gesagt hat.”
“Dieser ordinäre kleine Mistkerl. Jemand sollte ihm mal die Zunge ausreißen und damit seinen Rachen stopfen, damit er aufhört, diesen ganzen Schmutz auszuspucken. Ich würde mich freiwillig dafür melden.”
Marnie hätte am liebsten gelacht, aber momentan benötigte sie ihre ganze Aufmerksamkeit, um die Stufen in ihren hohen Absätzen zu meistern. Im Nachhinein betrachtet erschien ihr Brets Toast überhaupt nicht mehr so bedrohlich, wenn man bedachte, was er in manchen Situationen sonst so alles von sich gab. Nur hatte er es diesmal auf der schicken Party seiner Mutter vor all diesen Gästen getan. Wenigstens hatten die seine kindlichen Verwünschungen gar nicht mitbekommen.
Andrew hielt Marnies Hand fester, als sie unten angelangten. Die tiefer gelegene Terrasse erstreckte sich vor dem Wohnzimmer der Familie, in dem Rebecca jeden Morgen das englische Frühstück servieren ließ. Jetzt aber lag dieser Bereich im Dunkeln. Das einzige Licht kam von einem Bewegungsmelder, der ansprang, als sie die untere Ebene betraten.
Marnie lief vorsichtig über die Schieferfliesen und hielt sich an Andrews Arm fest. “Meinst du, Bret hat Verdacht geschöpft?”, fragte sie ihn.
“Vielleicht ist er misstrauisch, aber er weiß nichts. Er hasst Alison, nicht dich. Irgendwie ist sie eine Bedrohung für ihn. Es könnte einfach nur Geschwisterrivalität sein, aber ich glaube, da steckt mehr dahinter.”
Marnie senkte die Stimme. “Was zum Beispiel? Meinst du, Bret hat was mit Alisons Verschwinden zu tun?”
“Wenn das der Fall ist, dann bedeutet ihr Erscheinen für ihn eine ungeheure Bedrohung, oder nicht?”
“Aber wie sollte das möglich sein? Bret war doch nicht auf dem Boot, es sei denn, er hat sich an Bord geschlichen, was mir ziemlich unwahrscheinlich vorkommt.”
“Ich weiß es nicht, aber ich werde es herausfinden.”
Marnie erschauerte, als sie an die schmiedeeiserne Brüstung
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