Das Aschenkreuz
Medicus den Hausherrn an, «schließt die Tür hinter Euch. Dies hier ist kein Possenspiel. Alle, die nichts mit dem Vorfall zu tun haben, mögen bitte den Raum verlassen.» Achaz’ Stimme war ruhig, von angenehmer Tiefe. «Auch Ihr, Meister Gerhard. Und sorgt dafür, dass vorerst Stillschweigen bewahrt wird, auch in Eurem Sinne.»
Mit dem Hurenwirt verließ auch Apollonia die Kammer, nicht ohne Serafina einen fragenden Blick zuzuwerfen. Achaz strich über das Gesicht des Toten, um ihm die Augen zu schließen, dann wies er auf den einzigen Schemel.
«Setzt Euch bitte, Exzellenz. Denkt an Euer schwaches Herz. Ohnehin solltet Ihr nicht …»
Er brach ab, doch es war offenkundig, dass er damit des Bischofs Bordellbesuch meinte. Ächzend ließ sich Humbert von Neuenburg nieder.
«Habt Ihr ihm die Beichte abgenommen, Exzellenz?»
«Ich war gewillt, aber es blieb nicht mehr die Zeit dazu. Doch ich habe nach dem Vikar schicken lassen, damit er alles Notwendige für die Absolutio post mortem vorbeibringe.»
Achaz zog spöttisch eine Augenbraue hoch. «So gebt denn hernach Euer Bestes, um Gott zu versöhnen und den Schuldigen zu erlösen. Ihr könnt ja einstweilen ein stilles Gebet über den Toten sprechen.»
Obwohl sich Serafina wie von dichtem Nebel umhüllt fühlte, war ihr nicht entgangen, dass sich der Bischof keinen Deut um den Sterbenden gekümmert hatte. Mehr noch allerdings erstaunte sie die Art und Weise, wie dieser Leibarzt mit seinem Herrn umging.
Humbert von Neuenburg winkte ab. «Alles zu seiner Zeit. Ich muss in mein Quartier zurück, mich umziehen.»
«Einen Augenblick noch, Exzellenz. Ihr wart doch ganz in der Nähe. Habt Ihr da etwas Verdächtiges vernommen?»
«Wie sollte ich? Wo ich doch die ganze Zeit über mit meiner Begleiterin inbrünstig gebetet habe. Nun ja, einige Male wurde Ekkehart etwas laut. Aber du kennst ihn ja, er ist mitunter etwas ungestüm.»
«O ja, ich kenne ihn nur zu gut, Exzellenz.» Das Gesicht des Arztes legte sich in grimmige Falten. Es war unverkennbar, dass er diesen Ekkehart ganz und gar nicht schätzte. Zum ersten Mal in dieser schrecklichen Stunde schöpfte Serafina so etwas wie Hoffnung.
«Alles wird gut», murmelte sie mehr zu sich selbst als zu Resi und strich ihr übers Haar.
«Bis später also, Achaz.» Der Bischof wankte zur Tür. «Ich hoffe, du kannst mir dann berichten, wie der gute Mann ums Leben gekommen ist.»
«Das werde ich, verlasst Euch drauf.»
Auch Serafina war aufgestanden und half ihrer Gefährtin auf die Beine. «Können wir gehen?»
«Nein», beschied Achaz knapp und begann, dem Toten das Hemd auszuziehen. «Ich nehme an, der Anblick eines nackten Mannes schreckt Euch nicht allzu sehr.»
In jeder anderen Situation hätte Serafina ihm eine bissige Bemerkung zurückgegeben. Jetzt aber schwieg sie benommen, erst recht, als Achaz den Leichnam auf den Bauch drehte und die tödliche Wunde zum Vorschein kam. Der ganze Hinterkopf war eine einzige blutverschmierte Masse. Resi drehte das Gesicht zur Seite und schluchzte lauthals auf.
Derweil entfernte der Arzt mit einem Schermesser das Haupthaar vom Hinterkopf. Dann tupfte er mit einem Stück Leinen, das er aus seiner Tasche gezogen hatte, vorsichtig das Blut ab. Serafina spürte einen Würgereiz, konnte die Augen aber nicht abwenden.
«Da scheint einer ja bärenmäßige Kräfte an den Tag gelegt zu haben.» Er musterte die beiden Frauen eindringlich. «Oder auch
eine
. Wahrscheinlich zwei Schläge hintereinander.»
Er drehte den Toten wieder auf den Rücken, legte ihm die Hände zusammen und erhob sich.
«Würdet ihr beide mir jetzt schildern, was geschehen ist?»
Serafina trat vor ihn. Sie reichte ihm gerade mal bis zur Brust.
«
Ich
werde es Euch sagen. Die Resi hat nichts damit zu tun.»
«Wie ist Euer Name?»
«Serafina. Serafina Stadlerin.» Es überraschte sie, dass dieser Mann sie nicht duzte, wie sonst die Männer hier im Haus.
«Ich höre, Serafina.»
«Dieser Kerl da kam bereits sturzbesoffen hier an. Ich habe durch einen Türspalt beobachtet, wie er die Resi schon auf dem Weg in die Kammer übel behandelt hat. Danach hab ich ihre Schreie gehört und bin rüber. Da lag sie dann, an die Bettpfosten gefesselt, und der Mistkerl stand daneben und hatte sie ins Gesicht geschlagen.» Ihr ganzer Zorn kam wieder hoch. «Seht Euch ihre Handgelenke an. Alles noch rot angelaufen.»
«Ist das wahr?», fragte er das Mädchen.
Resi nickte nur.
«Und weiter?»
«Ich stand dann in der
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