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Das Aschenkreuz

Das Aschenkreuz

Titel: Das Aschenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Schlimmes erlebt: Da hatte ihr doch einer, ehe sie sich’s versah, Pfeffer in ihre heimliche Scham getan, was höllische Schmerzen verursacht hatte. Selbstredend hatte sie sich bei Meister Gerhard hierüber bitterlich beschwert, und fortan war dem jungen Ritter Hausverbot auferlegt worden.
    Nein, die letzten Jahre im Haus Zum Blauen Mond waren nicht die schlechtesten gewesen. Sie hatte ihren kleinen Kreis von Freundinnen, mit denen sie abends auf den Zimmern schwatzte, war gegen besoffene und gewalttätige Freier halbwegs geschützt und verfügte über einen sicheren Verdienst. Auch wenn sie den üblichen Drittteil an Meister Gerhard abgeben musste, gegen freie Kost und Unterkunft, so brachte ihr ein einziger Liebesdienst immer noch mehr als ein halber Tag Arbeit im Weinberg. Und für die ganze Nacht gab es das Drei- bis Fünffache! Zuletzt war sie sogar so etwas wie die rechte Hand der Frauenwirtin geworden, unterstützte sie in Hauswirtschaft und Buchführung.
    Dennoch – seit einiger Zeit schon haderte sie mit sich über diese Art von Broterwerb. Mit ihren dreißig Jahren würde sie bald zum alten Eisen gehören und Rost ansetzen. War ihr Körper erst ganz verwelkt, würde sie keiner mehr haben wollen. Wenn sie also nicht im Sumpf der Armut versinken wollte, blieb ihr nur noch ein Leben als Kuppelmutter. Oder aber als Ehegenossin an der Seite eines ihrer ledigen Freier, was, wie sie aus den Erfahrungen anderer wusste, nicht selten ein Leben voller Demütigungen bedeutete.
    An einem Abend Anfang April indessen hatte sich Serafinas Schicksal auf eine Weise besiegelt, wie sie es nie erwartet hätte. Es war ein Samstag. Für diese Woche waren die Sitzungen der Konzilsväter beendet, und die Schenken, Speisewirtschaften und Hurenhäuser füllten sich. Auch im Haus Zum Blauen Mond herrschte großer Andrang. Serafina war zu späterer Stunde von einem Augsburger Gelehrten bestellt, und so machte sie sich daran, sich selbst und ihre Arbeitskammer herzurichten.
    Dabei hatte sie die Tür zum Flur offen gelassen, um ein wenig durchzulüften. Während sie mit dem Besen über den Dielenboden kehrte, konnte sie durch den Türspalt beobachten, wie unter lautem Gepolter zwei Freier mit ihren Mädchen die Treppe heraufgeschwankt kamen. In dem älteren der beiden Mannsbilder, der kichernd ihre Gefährtin Apollonia im Arm hielt, erkannte sie Humbert von Neuenburg, Bischof zu Basel.
    Serafina schüttelte den Kopf. Die arme Apollonia! Sie würde mit dem alten Bischof die Psalmen rauf und runter beten müssen und sich dabei im Schweiße ihres Angesichts abmühen, ihn zur Erfüllung zu bringen. Falls sie das binnen einer Stunde schaffte, hatte sie Glück. Sollte Seine bischöflichen Gnaden indessen zu viel getrunken haben, und das sah ganz danach aus, würde ihr gar kein Erfolg beschieden sein.
    Der andere, ein vierschrötiger Kerl mit aufgedunsenem Gesicht, war offensichtlich der Leibwächter des Bischofs. Er hielt die junge Resi von hinten mit eisernem Griff umklammert und schob sie fast gewaltsam vor sich her. Dabei schwankte er wie ein Schiffsmast auf hoher See. Seine Rechte klebte in ihrem Schritt, die Linke auf ihren entblößten Brüsten.
    «Jetzt geh schon, du verflixtes Hurenweib», schnauzte er gereizt, und sein Atem stank bis zu Serafinas Tür nach saurem Wein. «Stell dich nicht so an.»
    Sie hatte ihn hier noch nie gesehen, doch allein der Anblick dieses unflätigen Kerls ließ ihr Mitleid augenblicklich in Richtung Resi schwenken. Ausgerechnet die Jüngste und Schüchternste von ihnen hatte er sich herausgegriffen, die zarte, bildschöne Resi mit ihrem goldblonden Haar. Meister Gerhard hatte sie erst vor kurzem aus einem schäbigen Winkelbordell ausgelöst, und in seinem unsicheren, ja verängstigten Wesen erinnerte sie das Mädchen jammervoll an ihre eigene Jugendzeit.
    Hier im Hause herrschte das ungeschriebene Gesetz, sich in die Angelegenheiten der anderen Frauen nicht einzumischen. Der Natur der Sache entsprechend, mochte es hie und da schon auch mal lauter und stürmischer zugehen, und falls ein Mädchen seinen Freier einmal gar nicht mehr im Griff hatten, war der Hurenwirt heranzuziehen. So nickte Serafina der jungen Resi nur aufmunternd zu und zog sich in ihr Zimmer zurück, ließ die Tür jedoch weiterhin angelehnt.
    Während sie begann, Schminke aufzutragen, lauschte sie mit halbem Ohr nach nebenan. Dorthin hatte sich Resi mit ihrem Kerl zurückgezogen, und durch die dünne Bretterwand konnte Serafina hören,

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