Das Aschenkreuz
wie er einen Schwall wüster Schimpfworte über die Arme ergoss. Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass die Sache gut ausgehen möge.
Vielleicht sollte sie doch Meister Gerhard Bescheid geben, dachte sie, als sie das Rundeisen zum Kräuseln der Haare aus ihrer Truhe kramte, um es drunten am Küchenherd zu erhitzen. Da ließ ein unterdrückter Schmerzensschrei sie zusammenfahren, gefolgt von flehentlichem Wimmern. Sie hatte genug! Mit ihrem Eisenstab in der Faust stürzte sie hinüber zur Nachbarkammer, riss die Tür auf – und erstarrte. Resi lag rücklings mit den Handgelenken an die Bettpfosten gefesselt, das Gesicht angstverzerrt, während ihr Widersacher am Bettrand stand, nackt bis auf ein hüftlanges Hemd und mit dem Rücken zur Tür. Wieder und wieder klatschte er Resi seine flache Hand ins Gesicht.
Ohne nachzudenken, holte Serafina weit aus und ließ das Eisen mit ihrer ganzen Kraft gegen seinen Schädel krachen. Der Mann schwankte, drehte sich fast gemächlich zu ihr um, mit ungläubig aufgerissenen Augen, und fiel hintenüber. Dabei prallte sein Hinterkopf mit voller Wucht gegen den Bettpfosten, neben Resis Hand, die im selben Moment schon blutbespritzt war, genau wie das Laken, die Wand, der Bettrahmen. Dann rutschte sein massiger Körper neben dem Bett zu Boden.
Resi entfuhr ein gellender Schrei.
«Sei still, Resi, sei bloß still!», beschwor Serafina sie. Doch es war zu spät. Von draußen waren Schritte und Türgeklapper zu vernehmen. Geistesgegenwärtig schleuderte Serafina den Eisenstab unter das Bett, als Apollonia auch schon in der Tür stand.
«Was um Himmels willen ist hier …»
Angesichts der blutigen Bescherung hielt sie sich die Hand vor den Mund. Hinter Apollonia tauchte nun mit hochrotem Gesicht der Bischof auf, halb angezogen nur, sein spärliches Haupthaar klebte ihm verschwitzt am Kopf.
«Er ist – er ist – gestürzt», stammelte Serafina und machte sich daran, die heulende Resi loszubinden. Nur ganz allmählich begriff sie, was sie da mit ihrem Schlag angerichtet hatte.
Apollonia beugte sich zu dem Verletzten hinunter.
«Er atmet noch. Wir brauchen einen Arzt. Schnell!»
Der Bischof, der bis dahin reglos im Türrahmen verharrt war, schnappte mit offenem Mund nach Luft.
«Allmächtiger! Mein Ekkehart – mein treuer Ekkehart», stieß er hervor und bekreuzigte sich. «Zu Hilfe! So helft doch!»
«Was ist geschehen, Exzellenz? Seid Ihr verletzt?»
Das war Meister Gerhard, der aus dem Treppenhaus aufgetaucht war. In seinem Schlepptau drängte sich eine ganze Meute von Frauen und Männern, die einen Blick durch die offene Tür zu erhaschen suchten.
«Nein – dort – siehst du nicht …» Der Bischof gab sich einen Ruck. «Hol meinen Leibarzt, sofort! Er sitzt beim Essen, im Wirtshaus gegenüber. Nun rühr dich schon, sonst ist es zu spät. Und lass meinen Vikar rufen. O Herr, o gütiger Herr im Himmel.»
Er rang die Hände und begann halblaut auf Latein zu beten.
Keine drei Ave-Maria später betrat ein Mann im langen, dunklen Gelehrtenmantel mit einer Ledertasche in der Hand den Raum. Er war ungewöhnlich groß und kräftig, das bartlose, längliche Gesicht mit der hohen Stirn, der etwas spitzen Nase und den vollen Lippen war angenehm anzusehen. Ein wenig älter als Serafina mochte er sein, im besten Mannesalter also, und sein dunkelblondes, kurzgeschnittenes Haar war noch voll und ohne Grau.
«Endlich, Achaz, endlich», keuchte der Bischof, der sich nicht von der Stelle gerührt hatte. Wenigstens hatte ihm mittlerweile jemand seinen Umhang gebracht. Währenddessen kauerte Serafina weitmöglichst vom Bett entfernt auf dem Fußboden, mit Resi im Arm, die nicht aufhören wollte zu weinen.
«Ist schon gut, meine Kleine», versuchte Serafina sie zu trösten und belauerte zugleich den Leibarzt, wie er neben dem verletzten Ekkehart niederkniete und ihm den Puls fühlte. Kurz zuvor noch hatte sich dessen Brustkorb krampfhaft gehoben und gesenkt. Jetzt aber war davon nichts mehr zu sehen. Etwas umständlich kramte der Arzt ein rundes Glas aus seiner Tasche und hielt es Ekkehart über Mund und Nase.
«Da ist nichts mehr. Er ist tot.»
Der Satz traf Serafina wie ein Dolchstoß. Das hatte sie wahrhaftig nicht gewollt! Voller Entsetzen bekreuzigte sie sich.
Lautes Stimmengewirr durchdrang von der offenen Tür her den Raum. «Er ist tot. – Der Leibwächter seiner Exzellenz ist tot. – Ein Meuchelmord, ein Überfall!»
«Ich bitte Euch, Meister Gerhard», wies der
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