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Das Aschenkreuz

Das Aschenkreuz

Titel: Das Aschenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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ausruhen.»
    Gerade als sie ihren Weg fortsetzen wollten, hörte Serafina jemanden ihren Namen rufen. Es war Jodok, der trotz seines dicklichen, ungelenken Körpers erstaunlich flink auf sie zugerannt kam.
    «Ihr wolltet mich sprechen, Schwester Serafina?», keuchte er.
    «Ja. Aber jetzt hol erst mal Luft.»
    Mit einem beschwörenden Lächeln bat sie Heiltrud, schon einmal vorauszugehen.
    «Ich komme gleich nach», versprach sie ihr.
    Nachdem sich Heiltrud zögerlich entfernt hatte, legte sie dem Jungen die Hand auf die Schulter.
    «Wie geht es dir?»
    «Gut, Schwester.» Jodok blickte sich beklommen um.
    «Ich hab den Eindruck, dass du unglücklich bist. Ist es noch immer wegen deines Freundes Hannes?»
    «Ja … Nein … Das ist es nicht allein.» Jodok stockte.
    «Sprich nur weiter», ermunterte sie ihn. «Du kannst mir vertrauen.»
    Der Junge gab sich einen Ruck. «Ratsherr Nidank und der Priester haben mir heut gesagt, dass ich nicht mehr in Sankt Peter und Paul ministrieren soll. Ich weiß nicht, ob Ihr’s wisst, aber für uns Freiburger Ministranten gilt es als hohe Auszeichnung, den Messdienst beim Blutwunder zu verrichten.» Er schluckte. «Und damit ist’s jetzt vorbei. Jetzt sollen’s die beiden Neuen übernehmen.»
    «Warum das denn?»
    «Sie glauben, dass mich das alles zu sehr mitnimmt, dass ich mich deshalb nicht mehr ausreichend in den Altardienst vertiefen würde. Wegen Hannes und dem, was er sich angetan hat.»
    «Und? Ist es so?»
    «Ich weiß nicht.» Er schniefte verstohlen. «Glaubt mir, ich bete Tag und Nacht für sein Seelenheil, aber der Kaplan sagt mir, dass das nur vergeudete Zeit wäre. Ich solle lieber für seine Angehörigen beten.»
    «Ist es nicht. Hör mal, Jodok.» Sie nahm seine Hand. Für einen kurzen Moment zögerte sie, ob sie diese Frage dem Jungen zumuten konnte. «Ich weiß, das kommt jetzt sehr plötzlich. Aber du kennst doch die Geschichte von Kain und Abel. Könnte es sein, dass Diebold seinen Bruder getötet hat? Du hattest doch selbst gesagt, dass Diebold fuchsteufelswild vor Eifersucht war.»
    Entsetzt starrte Jodok sie an.
    «Diebold? Seinen eigenen Bruder?» Er schüttelte heftig den Kopf. «Nein, so was würde Diebold nie tun, nicht mal im größten Zorn. Da ist ihm höchstens mal die Hand ausgerutscht. Der Diebold hat doch ganz genau gewusst, wie sehr Hannes ihn verehrte, und hat das genossen. Ich hab das nie verstanden, weil ich selber – ich hatte immer Angst vor Diebold. Aber Hannes hat ihn verteidigt. Sein Bruder sei nicht böse, halt nur ein arger Hitzkopf. Vor seinem Vater hatte sich Hannes viel mehr gefürchtet. Und vor Nidank irgendwie auch, glaube ich.»
    «Vor dem Ratsherrn Nidank?»
    Jodoks Gesicht lief puterrot an. «Bitte vergesst es. Ich wollte nichts gesagt haben.»
    «Du kannst mir wirklich vertrauen. Sag mir, was du sagen wolltest. Warum hatte Hannes Angst vor dem Ratsherrn?»
    «Weil … Weil … Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll. Ihr seid doch so etwas wie eine Nonne, oder?»
    «Da hast du recht. Aber erstens war ich nicht immer bei den Schwestern, und zweitens ist mir nichts Menschliches fremd. Das kannst du mir glauben.»
    Der Junge suchte krampfhaft nach Worten. «Unter uns Jungen geht das Gerücht, dass – dass der Ratsherr … Dass er sich für …»
    Er brach ab.
    «Dass er eine Vorliebe für euch Jungen hat?»
    Erleichtert nickte Jodok.
    Nun war Serafina doch mehr als erstaunt. Sie wusste inzwischen, dass Nidank, ein adliger Müßiggänger, der von Renten und Zinsen lebte, mit einer ältlich aussehenden Ritterstochter verheiratet war und mit ihr vier Kinder hatte. Doch was musste das schon heißen? In ihrem ersten Hurenhaus hatten sie einen Freier gehabt, einen steinreichen Familienvater, für den sich das jüngste der Mädchen stets als Knabe zu verkleiden hatte. Das war eigentlich verboten, doch allemal besser, als dem sodomitischen Laster nachzugeben. Auf die «stumme Sünde» nämlich, der Liebe unter Männern, stand der Tod auf dem Scheiterhaufen. Plötzlich dachte sie an die beiden bildhübschen blonden Jünglinge, die nun künftig den Altardienst verrichten sollten.
    «Und der Hannes gefiel ihm also?», hakte sie leise nach.
    Jodoks glattes, pausbäckiges Kindergesicht zog sich in Falten. «Nun, wie soll ich sagen – er hat Hannes regelrecht nachgestellt, wenn Ihr wisst, was ich meine. Mit kleinen Freundlichkeiten und Geschenken und so. Aber der Hannes hatte sich dagegen gewehrt, und dann, vor nicht langer Zeit, hat

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