Das Aschenkreuz
«Lass uns diesen kindischen Streit beiseitelegen. Ich war grob zu dir, ich weiß.»
Sie blickte sich um, ob niemand sie hörte, doch die Kirchgänger, die in dichten Trauben den Weg entlangschritten, hielten wie immer ehrerbietig Abstand zu ihnen als Regelschwestern.
«Andrerseits hast du kein Recht, in meinen Sachen zu wühlen und hinter meinem Rücken irgendwelche Dinge über mich zu erzählen. Ich könnte also erst recht beleidigt sein. Zumal du ja sogar zur Meisterin gerannt bist, um von meinem Besuch beim Stadtarzt zu petzen. Das war wirklich nicht schön von dir.»
Heiltrud riss erschrocken die Augen auf. «Aber das war ich nicht! Ja, ich habe ihr die Ohrringe gebracht, weil – weil es mich geärgert hat, dass du solch kostbaren Schmuck heimlich bei dir aufbewahrst. Weil es sich überhaupt schon gar nicht gehört, als ehrbare Frau solche goldenen Ohrringe zu besitzen. Aber den Achaz hab ich mit keinem Wort erwähnt.»
Jetzt war es an Serafina, überrascht zu sein. «Wer dann? Nur Grethe war bei mir, und Barnabas. Und dem Zwerg ist es doch vollkommen wurscht, mit wem ich mich treffe.»
Doch sie hatte den letzten Satz noch nicht ausgesprochen, als ihr einfiel, wie unwillig Barnabas sie allein gelassen hatte. Ein Fremder sei der Stadtarzt, und er wisse nicht, wer dahinterstecke. So oder so ähnlich waren seine Worte gewesen.
«War Barnabas in letzter Zeit bei uns im Haus gewesen?»
«Nicht dass ich wüsste. Vielleicht am Sonntag, da kommt er ja manchmal, um den Lohn für seine kleinen Gefälligkeiten abzuholen. Halt …» Sie schlug sich gegen die Stirn. «… jetzt fällt’s mir ein. Als ich dich in Achaz’ Haus verschwinden sah, standen da auch dieser Nidank und Pater Blasius vor dem Kirchenportal der Barfüßer. Und einen Tag später war er bei Mutter Catharina zu Besuch.»
«Wer? Pater Blasius?»
«Nein, der Nidank.»
Serafina runzelte ärgerlich die Stirn. «Was hat sich dieser aufgeblasene Ratsherr in unsere Angelegenheiten einzumischen? Wenn das jemandem zusteht, dann einzig den Barfüßern, als unseren Pflegern und Beichtigern. Die Freiburger Obrigkeit hat uns gar nichts zu sagen. Dieser Nidank soll mir bloß über den Weg laufen.»
«Du wirst einem Ratsherren doch wohl keine Vorhaltungen machen wollen?»
«Warum nicht? Wie sagt unser Barnabas immer?
Ob König, Bischof oder Bettelmann – wir alle sind aus Lehm geformt, aus Staub ist der Mensch gemacht.
»
«Der Zwerg ist wohl nicht gerade als leuchtendes Beispiel zu nehmen. Seine Abneigung gegenüber allem, was Kutte oder Amtstracht trägt, ist ja allgemein bekannt.»
Wider Willen musste Serafina lachen. «Es ist schön, dass wir wieder miteinander reden.»
Heiltrud nickte nur, doch um ihre Augen deutete sich immerhin so etwas wie ein Lächeln an.
Sie hatten den Hügel unterhalb der Kapelle erreicht. Mehr noch als beim letzten Mal war hier kein Durchkommen vor lauter Menschen. Serafina zog Heiltrud zu einem Trampelpfad, der weitläufig um das Kirchlein den Berg hinaufführte.
«Vielleicht dürfen wir ja durch das Türchen bei der Sakristei hinein.»
Auf der Chorseite trafen sie auf eine Gruppe von Männern, die ins Gespräch vertieft waren und sie zunächst nicht beachteten, nämlich Ratsherr Nidank, Pater Blasius und die beiden anderen Mönche, die auch beim letzten Mal mit dabei gewesen waren. Ein wenig abgerückt von ihnen standen Jodok und zwei weitere Ministranten, die sich fast wie Zwillinge glichen. Die beiden mit ihrem blondgelockten Engelshaar überaus hübschen Burschen tuschelten und kicherten miteinander, während Jodok stumm vor sich hinstarrte. Nach wie vor wirkte er sehr unglücklich.
«Da hab ich ja alle beieinander», murmelte Serafina vor sich hin. Entschlossen ging sie auf die Männer zu, Nidank fest im Blick.
«Gott zum Gruße, Ihr Herren.»
«Ach – seid Ihr nicht Schwester Serafina von Sankt Christoffel?» Der Ratsherr tat überrascht, während Pater Blasius sie anlachte und sichtlich erfreut schien, sie hier bei der Blutwundermesse wiederzusehen.
«Ihr kennt mich sehr wohl, Ratsherr Nidank. Zumal Ihr mich namentlich bei unserer Meisterin angeschwärzt habt!»
«Angeschwärzt? Ihr vergreift Euch gehörig in der Wortwahl.» Missmutig zog Nidank die Augenbrauen zusammen. «Solange Ihr Euch noch immer keinem Orden angeschlossen habt, sind wir Ratsherren dazu verpflichtet, ein Auge auf Euch zu halten. Bedenkt, dass andernorts Beginen und freie Schwesternsammlungen als ketzerisch verboten sind.»
«Noch aber
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