Das Aschenkreuz
Konvent inzwischen eine regelrechte Manufaktur errichtet. Serafina konnte sich nur denken, dass der alte Pfefferkorn sie, Serafina, nicht mehr im Haus haben wollte, nachdem sie so forsch ihre Meinung über Hannes’ Tod kundgetan hatte.
«Aber für Heiltrud und dich hätte ich heute eine andere Aufgabe», fuhr Catharina fort. «Im Hühnerstall müssen dringend die schadhaften Latten ausgebessert werden.»
«Können wir, wenn wir damit fertig sind, noch zum Gießen in den Garten hinaus? Es hat ja leider immer noch nicht geregnet.»
«Mach das, aber geh allein. Auf Heiltrud wartet noch ein Berg Hauswäsche.»
Dagegen hatte Serafina rein gar nichts einzuwenden. Seit einer Woche nämlich hatte sie keinen Fuß mehr vor die Tür gesetzt, ohne dass Catharina oder eine ihrer Mitschwestern sie begleitet hatten. Nicht dass sie das allzu sehr gestört hätte, aber in ihrem Gärtchen werkelte sie am liebsten ungestört vor sich hin.
Als sie sich eine gute Stunde vor der Vesper, die sie sonnabends immer mit den Barfüßermönchen feierten, auf den Weg in die Vorstadt machte, lastete der Himmel immer noch bleischwer über der Stadt. Es konnte gut sein, dass es in der Nacht gewittern würde, aber darauf mochte sie sich nicht verlassen.
Hinter dem Lehener Tor wäre sie fast mit dem Stadtarzt zusammengeprallt. Wegen der Hitze trug er statt seines langen Mantels nur einen leichten, offenen Umhang über Wams und Beinkleid. Darin wirkte er wesentlich schlanker als in seinem Gelehrtengewand. Und jünger zudem.
«Mal wieder auf dem Weg zu einem Kranken, Schwester Serafina?»
«Ich wüsste nicht, was Euch das angeht.»
Er hob belustigt die Brauen. «Nun, da ich meines Zeichens Stadtarzt bin, könnte mich das schon etwas angehen. So hab ich läuten hören, dass ihr Frauen die Beutlerwitwe mit ihrem schlimmen Fuß behandelt. Eigenmächtig sozusagen.»
«Sie hat kein Geld für den Bader.»
«Und da denkt ihr, als freundliche Arme Schwestern vermögt ihr das ebenso gut.»
«Ganz recht. Mit einem kühlen Kräuterumschlag lässt sich nichts falsch machen.»
«Dazu noch ein Segenssprüchlein unters Kopfkissen – und schon erweist ihr euch als heilkundige Frauen.»
«Hört auf zu spotten, Achaz. Ihr Buchgelehrten könnt doch nichts als Puls messen und Urin beschauen. Damit mögt ihr vielleicht die Gesunden beeindrucken, aber bei Verletzungen ist euch jeder einfache Wundarzt haushoch überlegen.»
«So also denkt Ihr von mir als Medicus.»
Serafina merkte, wie die Stadtwächter neugierig zu ihnen herüberglotzten.
«Es tut nichts zur Sache, was ich von Euch denke. Aber vielleicht könntet Ihr mich ein kleines Stück Wegs begleiten. Es muss uns ja nicht jeder zuhören.»
Die Überraschung stand Adalbert Achaz ins Gesicht geschrieben. «Begleiten? Sorgt Ihr Euch gar nicht um Euren Ruf?»
Doch Serafina war schon das staubtrockene Sträßchen weitergeeilt, das zu ihrem Garten führte. Er schloss neben ihr auf.
«Was gibt es denn so Wichtiges, dass ich an Eurer Seite sein darf, Schwester Serafina?»
«Könnt Ihr’s Euch nicht denken?»
«Leider ja.»
«Also, was ist? Habt Ihr nun endlich die Erlaubnis, den Toten wieder auszugraben?»
«Eine Exhumierung durchzusetzen, ist alles andere als einfach.»
Sie blieb so abrupt stehen, dass sie ins Stolpern geriet. Ritterlich fing Achaz sie am Arm ab.
«Lasst das! – Ihr habt es also gar nicht erst versucht!»
«Ja und nein. Ich habe mich noch einmal mit Nidank und Pfefferkorn besprochen. Aber sie haben mir mehr als deutlich zu verstehen gegeben …» Der sonst so selbstsichere Stadtarzt sah verunsichert zu Boden. «… dass ich zu kurz im Amt sei, als dass ich aufgrund der Aussage einer Begine einen Toten ausgrabe und mich und den ganzen Stadtrat am Ende lächerlich mache.»
Für einen kurzen Moment war sie versucht, ihm ihre neuesten Erkenntnisse über diesen sauberen Ratsherrn Nidank mitzuteilen, aber dann schluckte sie ihre Worte hinunter. Diese hohen Herren, zu denen sie letztlich auch den Stadtarzt zählen musste, steckten doch alle unter einer Decke. Da hackte doch keine Krähe der andern ein Auge aus.
«Wisst Ihr was, Achaz? Ihr habt als geschworener Stadtarzt vollauf versagt mit Eurem falschen Befund. Und nun seid Ihr zu feige, den Fehler auszubügeln, nur weil Ihr auf Euer Ansehen bedacht seid!» Sie zog verächtlich die Mundwinkel nach unten. «Ja, das seid Ihr: feige!»
Achaz erbleichte.
«Das muss ich mir von dir nicht sagen lassen, Serafina», entgegnete er
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