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Das Aschenkreuz

Das Aschenkreuz

Titel: Das Aschenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Thurner führte. Von dort war es nicht weit zum Waldrand, wo Barnabas’ Hütte stand.
    Wütende Männerstimmen ließen sie nach wenigen Schritten innehalten. Sie kamen von einer Baumgruppe nahe der Fahrstraße.
    «Was ist das denn?» Serafina kniff die Augen zusammen. Da sie im ersten Licht der Morgensonne standen, während sich die Bäume noch im Schatten befanden, vermochte sie bis auf undeutliche Bewegungen nichts zu erkennen.
    Dann aber war ein jämmerliches Wimmern zu vernehmen. «Lasst mich, verschont mich! Hab nichts getan!»
    «Das ist doch Barnabas!»
    Ohne nachzudenken schürzte Serafina ihren Rock und rannte los.
    «Bleib hier», hörte sie Gisla rufen. «Was, wenn das Wegelagerer sind?»
    Aber es war keine Bande von Straßenräubern, die dort im hohen Gras den Bettelzwerg in die Mangel nahmen, sondern zwei Männer in den weiß-roten Wappenröcken der städtischen Zöllner, die nicht weit von hier ihr Wachhäuschen hatten. Der eine hielt den zappelnden Barnabas an den Handgelenken fest, der andere schlug ihm ins Gesicht. Der arme Zwerg sah furchtbar aus: Aus seiner Nase rann Blut, und die linke Augenbraue war aufgeplatzt.
    Serafina blieb stehen. «Lasst den Barnabas los! Sofort!»
    Verdutzt sahen die Männer auf.
    «Der Herrgott soll Euch strafen. Einen wehrlosen Menschen so zuzurichten!»
    Barnabas spuckte einen Schwall Blut aus. «D-d-dich schickt der Himmel.»
    «Verschwindet von hier, ehrwürdige Schwester!», rief ihr der ältere der beiden Männer alles andere als freundlich zu. «Das hier ist kein Anblick für Frauen.»
    Zunächst begriff sie rein gar nichts.
    «Da-das war ich nicht, Serafina», keuchte Barnabas und verzerrte das geschundene Gesicht zu einer Grimasse. «De-der Teufel selbst war’s.»
    Ein schrilles Heulen entfuhr seinem aufgerissenen Mund, und er begann erneut, wie ein Veitstänzer um sich zu schlagen. Serafina war fassungslos. Noch nie hatte sie den Bettelzwerg so außer sich erlebt. Zum ersten Mal verstand sie, dass manch einer Angst vor ihm hatte.
    «So beruhige dich doch!»
    Dann aber folgte ihr Auge seinen verzweifelten Blicken – und erstarrte.
    Im Schatten der Bäume saß mit gespreizten Beinen ein Mann gegen einen mächtigen Baumstamm gelehnt, das Kinn zur Brust gesenkt, das aufgerissene helle Mönchsgewand über und über mit Blut bespritzt. Das Entsetzlichste aber war: Sein Leib war aufgeschlitzt vom Nabel bis zum Brustbein, war nur mehr eine einzige, riesige, klaffende Wunde, aus der das Gedärm quoll.
    Sie bekreuzigte sich und kämpfte gegen den Brechreiz an, der ihr vom Magen in die Kehle stieg. Nie zuvor hatte sie so etwas Abscheuliches gesehen. Dennoch wandte sie den Blick nicht ab. Der Tote nämlich war niemand anderes als Bruder Rochus von den Wilhelmiten, und seine Stirn war, genau wie bei Hannes, mit einem Aschenkreuz gezeichnet!
    «Kennt Ihr den Weißbruder etwa?», fragte der alte Zöllner. Er hatte es geschafft, Barnabas beide Arme auf den Rücken zu drehen und ihn zu Boden zu zwingen.
    «Ja. Das ist Bruder Rochus von Sankt Wilhelm, Sohn von Cunrat Amman.» Ihr wurde abwechselnd heiß und kalt, ihre eigene Stimme kam ihr fremd vor. «Küster der Wallfahrtskapelle oben am Wald.»
    Der Jüngere nickte eifrig. «Sie hat recht, ich hab ihn dort bei der Blutwundermesse gesehen.»
    Sie drehte dem so grauenhaft zugerichteten Leichnam den Rücken zu. Jede Einzelheit hatte sich ihr ins Gedächtnis gebrannt: Dass dem Toten ein abgeschnittener Henkersstrick um den Hals gebunden war, dass in seiner Faust ein blutiger Dolch stak, dass er an der Schläfe verwundet war.
    «Habt Ihr schon den Prior der Wilhelmiten verständigt?»
    «Wie denn? Wir haben die Gräueltat ja eben erst entdeckt. Und diesen Zwerg hier sozusagen auf frischer Tat ertappt.»
    «Ihr glaubt doch nicht etwa, Barnabas hätte …» Fassungslos erkannte sie, dass die Zöllner den Bettelzwerg, der jetzt leblos wie ein Toter bäuchlings im Gras lag, für den Mörder hielten. «Niemals! Wie kommt Ihr auf solchen Unsinn?»
    «Ganz einfach», entgegnete der Ältere. Er band Barnabas die Hände auf dem Rücken zusammen.
    «Dies hier …» Er deutete mit der Stiefelspitze auf einen großen, silbern glänzenden Schlüsselbund zu seinen Füßen. «… haben wir ihm aus der Hand gerissen. Ich verwette meinen Hals, dass er ihn dem Mönch geklaut hat. Der wird es gemerkt haben, und daraufhin ist’s zum Streit gekommen.»
    «Das könnte der Schlüssel zur Kapelle sein», murmelte Serafina. Barnabas hob den Kopf, um

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