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Das Aschenkreuz

Das Aschenkreuz

Titel: Das Aschenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Meisterin am Lesepult, tief über die Rechnungsbücher gebeugt.
    «Ich wollte mich zunächst entschuldigen, Meisterin. Für meine heftigen Worte und dass ich dich in der Rede unterbrochen habe.»
    Catharina winkte ab. «Lass gut sein. Was also hast du auf dem Herzen?»
    «Wir müssen der peinlichen Befragung von Barnabas unbedingt zuvorkommen. Sobald Barnabas gesteht, weil er die Tortur nicht mehr erträgt, ist doch sein Urteil gefällt. Dann gibt es kein Zurück mehr.»
    «Ach Serafina, wir können den Lauf der Dinge nicht durchbrechen. Außerdem vergisst du die Möglichkeit des Losbittens.»
    «Darauf sollten wir uns nicht verlassen.»
    «Nun gut. So, wie ich dich kenne, hast du bereits einen Einfall.»
    Serafina nickte heftig.
    «Es gibt da noch eine winzige Möglichkeit. Ich möchte zu Barnabas in den Turm, um mit ihm zu reden. Und zwar noch bevor Ratsherr Wetzstein zurück in Freiburg ist und das Verfahren seinen Lauf nimmt. Ich werde den Eindruck nicht los, dass er mehr weiß, als wir oder die Ratsherren ahnen. Nur wenn wir die Wahrheit herausfinden, erlangt Barnabas seine Freiheit zurück.»
    «Du weißt, dass niemand zu ihm darf.»
    «Ja, aber der Turmwart ist bestechlich. Von Heiltrud hab ich erfahren, dass er seinen kargen Lohn versäuft. Und so hatte ich mir gedacht … Wir könnten doch …»
    «Was?»
    Serafina holte tief Luft. «Meine vergoldeten Ohrringe. Ich biete sie ihm an, wenn er mich zu Barnabas lässt.»
    «Niemals!» Das sonst so gutmütige Gesicht der Meisterin legte sich in strenge Falten. «Das verstößt nicht nur gegen unsere Regeln, sondern auch gegen das Gesetz.»
    «Bitte, Mutter Catharina! Was ist so ein kleiner Rechtsverstoß gegen die himmelschreiende Ungerechtigkeit, wenn ein Unschuldiger zum Tode verurteilt wird? Außerdem – haben wir nicht erst gestern über die sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit geredet? Darüber, dass wir den Hungrigen speisen wollen, den Durstigen laben, den Nackten bekleiden, den Fremden beherbergen, den Kranken besuchen, den Sterbenden begleiten – und den Gefangenen befreien?»
    Eine schier unendliche Zeit schwieg die Meisterin. Dann zog sie mit einem hörbaren Seufzer die Schatulle mit den Wertsachen aus ihrer Kiste und öffnete sie.
    «Vielleicht hast du recht. Aber niemand darf davon erfahren. Und du gehst nicht allein, wie du dir denken kannst. Heiltrud wird dich in den Turm begleiten.»
    «Heiltrud? Nein, verzeih, Meisterin. Aber das wäre unklug. Du weißt selbst, wie schwatzhaft sie manchmal sein kann. Außerdem sind sie und der Turmwart sich alles andere als grün, denn sie kennen sich gut. Endres war nämlich einst mit ihrer Schwester verheiratet.»
    «Wen schlägst du also vor?»
    «Ich denke da an Grethe. Barnabas mag sie, zu ihr hat er Vertrauen.»
    Catharina drückte ihr die Ohrringe in die Hand. «Du bringst mich noch in Teufels Küche. Gebt bloß acht, dass niemand von der Sache Wind bekommt.»
    Hastig steckte Serafina die Ringe in ihre Rocktasche und umarmte ihre Meisterin. «Ich danke dir. Von mir und Grethe wird niemand etwas erfahren. Und dieser Endres wird in jedem Fall den Mund halten. Der wäre sein Amt nämlich los, wenn das herauskäme.»
    «Hoffen wir, dass du recht behältst.»
    «Da ist noch etwas», begann Serafina und versuchte, möglichst beiläufig zu klingen. «Was denkst du eigentlich über die Blutwundermesse?»
    «Um ehrlich zu sein, halte ich diese Art von öffentlichen Glaubenskundgebungen eher für zweifelhaft. Ein Gotteshaus ist kein Jahrmarkt. Doch offenbar braucht der Mensch solcherlei Spektakel, um die Gegenwart Gottes zu spüren, gerade jetzt, angesichts der Kämpfe um das wahre Oberhaupt unserer Kirche.» Sie unterbrach ihre Ausführungen. «Aber du wolltest etwas über das Blutwunder wissen.»
    «Ja», antwortete Serafina. «Ich war bislang zweimal bei der Messe dabei, und sie geht mir nicht aus dem Kopf. Wer hat alles damit zu schaffen?»
    «Ich war nur einmal Zeuge gewesen, gleich beim ersten Mal, zum Karfreitag dieses Jahres», sagte Catharina. «Bis dahin war ich dem Eremiten, diesem Bruder Cyprian, ein paar Mal begegnet, beim Überreichen von Almosen, und er erschien mir von eher einfältigem Gemüt, ohne Bildung, des Lesens und Schreibens unkundig. Aber weißt du was? Am besten begleitest du mich nachher zu Bruder Matthäus, dem Prior der Wilhelmiten. Ich bin gut mit ihm bekannt und wollte ohnehin heute bei ihm vorbeischauen, um auch ihn von Barnabas’ Unschuld zu überzeugen. Dort wirst du

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