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Das Aschenkreuz

Das Aschenkreuz

Titel: Das Aschenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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gutaussehende Mann mit seiner tiefen, warmen Stimme und den wachen Augen war gewiss kein Mensch von Traurigkeit. Er hatte die Gesichtszüge eines Genießers, und sie würde ihre Beginentracht verwetten, dass er schon mehr als ein Mal seinen Fuß in ein Hurenhaus gesetzt hatte.
    «Es ist nie zu spät, zu einem gottesfürchtigen Leben zu finden», gab sie keck zurück.
    «Da habt Ihr selbstredend recht.» Er lachte. «Schließlich erinnere ich mich, Euch bei unserer Blutwundermesse schon zweimal in vorderster Reihe gesehen zu haben. Allerdings mit ziemlich zweiflerischem Ausdruck, wie ich meine.»
    «So etwas bekommt man schließlich nicht alle Tage zu sehen.» Sie bemühte sich, zu einem sachlichen Tonfall zurückzufinden. «Hat Bruder Cyprian eigentlich an den übrigen Wochentagen keinerlei Wundmale?»
    «Fürwahr nicht. Der himmlische Gnadenerweis besteht ja auch darin, dass unser Mitbruder nur an den Freitagen, dem Kreuzigungstag des Herrn, die Stigmata erfährt.»
    «Und das genau zu jener Stunde, von der die Heilige Schrift erzählt? Von jetzt auf nachher?»
    «Ganz genau. Höre ich da etwa wieder Zweifel aus Eurer Stimme?»
    Damit hatte er natürlich ins Schwarze getroffen. Mochte er als Kaplan und Priester auch mit Inbrunst an das Wunder glauben, das da jeden Freitag vor sich ging – wer sagte ihr, dass er nicht Opfer eines begnadeten Scharlatans war? Es begann ihr Spaß zu machen, Blasius herauszufordern.
    «Und wie ergeht es dem Einsiedler an den übrigen Tagen?», fuhr sie unbeirrt fort. «Ist es wahr, dass er nur von Wasser und geweihten Hostien lebt?»
    «Ei, nun.» Blasius machte eine abwehrende Handbewegung. «Das macht der Volksmund draus. Die Wahrheit ist: Zur Abendstunde, da unser Heiland sein letztes Mahl mit seinen Jüngern geteilt hatte, da nimmt auch unser Bruder Cyprian einen Becher Wein und ein Stückchen Brot zu sich. Mehr aber nicht, denn ein Begnadeter wie er braucht keine leibliche Nahrung. Geistliche Labsale wie Gebet und Exerzitien sind ihm genug.»
    «Seid Ihr etwa Tag und Nacht bei ihm, oder woher wollt Ihr das wissen? Davon kann schließlich kein Mensch leben.»
    «Wir wissen das, weil wir an das Wunder glauben.» Seine überaus angenehme Stimme wurde noch sanfter. «Und weil wir Gott in unserem Herzen tragen. Nicht wahr, Bruder Immanuel?»
    Er legte dem jungen Mönch neben sich den Arm um die Schulter. Serafina glaubte zu bemerken, wie Immanuel unter dieser Berührung zusammenzuckte.
    «Mir scheint», wandte sich Blasius wieder an sie, «Ihr eifert dem ungläubigen Thomas nach, indem er nicht an Jesu Auferstehung glaubt und sagt:
Wenn ich nicht in seinen Händen sehe die Nägelmale und lege meinen Finger in die Nägelmale und lege meine Hand in seine Seite, kann ich’s nicht glauben

    «Da liegt Ihr nicht ganz falsch.»
    «Dann müsstet Ihr aber auch wissen, dass Jesus am Ende zu Thomas spricht:
Selig sind, die nicht sehen und doch glauben
. Und eben darauf kommt es an, Schwester Serafina. Ihr solltet Euch vielleicht hin und wieder in die Lektüre der Heiligenlegenden vertiefen, um Euch zu vergegenwärtigen, welch wunderbare Dinge einem gläubigen Menschen widerfahren können.»
    Serafina glaubte, einen leisen Spott aus seinen Worten herauszuhören. «Nun, Bruder Cyprian wird sich wohl kaum in das Leben der Heiligen und Märtyrer vertieft haben, wenn er gar nicht lesen kann, wie ich gehört habe. Warum also ist das Wunder gerade
ihm
geschehen?»
    «Eben darum. Weil er nämlich eine einfältige Seele ist, die sich so sehr nach Gott sehnte und sich hierfür sogar als Einsiedler kasteite, bis der Allmächtige ihn mit besonderen Gnadenbeweisen beschenkte.»
    «Selig sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihr»
, gab sie nun ihrerseits nicht ohne Hohn in der Stimme zurück. Dabei war ihr nicht entgangen, wie der junge Immanuel während ihres Gesprächs von Blasius’ Seite abgerückt war und jetzt unruhig seine Finger knetete. Er wirkte durch und durch angespannt. Plötzlich schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass Blasius womöglich derselben Vorliebe frönte wie Nidank. Doch dann schüttelte sie innerlich den Kopf. Nein, nicht dieser Mann, der mit seinen Blicken an ihr als Weib förmlich klebte.
    «Ihr sagt es, Schwester Serafina. Möchtet Ihr sonst noch etwas wissen? Es wird nämlich gleich zur Non läuten, und im Gegensatz zu Euch Beginen nehmen wir die Stundengebete sehr ernst.»
    «Ja, eine letzte Frage habe ich noch. Was hat eigentlich Ratsherr Nidank mit

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