Das Aschenkreuz
Räder eines schweren Fuhrwerks gelaufen!
Empört sah sie ihm nach. Was für ein feiges Mannsbild! Jetzt wollte er noch nicht einmal mit ihr zusammen gesehen werden.
Sie ballte die Fäuste. Na warte, Adalbert Achaz. Ich habe auch meinen Stolz, und den wirst du mir nicht nehmen.
Als Serafina an diesem Abend nach den Vigilien, die sie gemeinsam für ihre Stifter und Wohltäter gelesen hatten, zu Bett ging, konnte sie lange kein Auge zutun. Es schien ihr immer unwahrscheinlicher, dass Diebold Pfefferkorn mit Hannes’ Tod etwas zu tun hatte. Beide Opfer waren jeden Freitag in der Kapelle vor der Stadt gewesen, wo sie an der Blutwundermesse teilnahmen. Dort, in Sankt Peter und Paul, liefen die Fäden zusammen, nicht im Hause Pfefferkorn. Aber auch dann blieb die entscheidende Frage, was der Grund dafür sein konnte, dass jemand zu einer solch grausamen Tat fähig war.
Unwillkürlich kam ihr Ratsherr Nidank, dieser große Förderer der Wilhelmiten mit seiner Schwäche für hübsche Jünglinge, in den Sinn. Wenn man dem Ministranten Jodok Glauben schenken konnte, hatte er sich an Hannes herangemacht, und vielleicht war ja Bruder Rochus Zeuge dieser Schandtat geworden. Und hatte daher ebenfalls verschwinden müssen. Wenn Nidank seine Finger im Spiel hatte, wäre das zumindest eine einleuchtende Erklärung dafür, dass er sich seinerzeit so vehement für Selbstmord ausgesprochen hatte und ebenso vehement gegen eine Exhumierung des Leichnams. Hatte er ihr nicht sogar, vorgestern am Christoffelsturm, offen gedroht?
Andererseits – warum hatte Nidank dann nicht auch den Tod des Mönches als Selbstmord getarnt? Oder hatte ihm schlichtweg die Zeit hierfür gefehlt, weil er von Barnabas überrascht worden war? Plötzlich hatte sie wieder vor Augen, wie Nidank mit den Wilhelmiten und den Ministranten vor der Sakristei der Blutwunderkapelle stand und sich zu beraten schien. Was hatte Nidank mit Sankt Peter und Paul zu schaffen? War er es gar, der die Jungen für den Altardienst auswählte, was ja offenbar einer großen Auszeichnung gleichkam? Warum nur hatte sie vergessen, Jodok danach zu fragen? Womöglich waren die beiden neuen Ministranten jetzt ebenfalls in Gefahr – zumindest in Gefahr, ein Opfer von Nidanks Vorliebe für junge Kerle zu werden.
Ihre Gedanken verwoben sich auf der Schwelle zum Schlaf zu einem Knäuel. Dies alles konnte sein oder auch nicht sein. Wurde zu Hirngespinsten, die sich mit den grellen Bildern grausam zugerichteter Leichname vermischten. Eines indessen war kein Hirngespinst: Sie hatte nun einen Einfall, wie sie zu Barnabas in den Turm kommen würde. Blieb nur zu hoffen, dass die Meisterin mitspielte.
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Kapitel 17
D u wirst immer schusseliger, Serafina.» Grethe hielt ihr den Gartenkorb unter die Nase. «Wenn das verrottete Zeugs da Gemüse sein soll, dann bin ich eine Geborene von und zu Habsburg.»
Serafina wurde rot. Was sie vor sich im Korb liegen sah, war in der Tat nichts als ein welker Haufen Unkraut, von ihrer Hand ausgerissen mitsamt Wurzeln und Erdklümpchen.
«Ojemine», stieß sie hervor. «Hoffentlich sind die Rüben und Rettiche dann nicht auf der Miste gelandet!»
Grethe starrte sie mit offenem Mund an. Dann begann sie lauthals loszuprusten, und Serafina fiel wider Willen in ihr Lachen ein. Wie gut das tat, nach all den angespannten Tagen.
«Na, ihr habt es aber lustig miteinander.» Die alte Mette war zu ihnen in die Küche getreten. «Darf man wissen, warum?»
«Schau nur …» Grethe schnappte nach Luft. «… was für eine erlesene Suppe ich euch heute zubereiten werde. Holdes Wildkraut auf Wurzelschnitt in Erdbollentunke. Köstlich.»
Mette schüttelte den Kopf. «Jetzt sag bloß, dass du das hier heut Morgen aus dem Garten mitgebracht hast.»
«Ich versteh auch nicht, wie mir das passieren konnte.»
«Kindchen, Kindchen, wo bist du bloß mit deinen Gedanken? Gestern erst bist du bei der Beutlerin aufgetaucht und hast mich mit großen Augen angeglotzt, obwohl ich dir doch laut und deutlich gesagt hatte, dass ich das übernehme mit dem Spazierenführen. Und dann hast du die gute Frau auch noch mit Kandlerin angesprochen.»
«Ist das wahr?», fragte Grethe und brach erneut in Gelächter aus. Da begann auch Mette zu lachen, bis ihr die mageren Schultern zitterten. Schließlich gab sie sich einen Ruck.
«Was ich euch sagen wollte: Die Meisterin lässt ausrichten, dass wir heute eine halbe Stunde später zu Morgen essen. Sie will zuvor noch
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