Das Aschenkreuz
den Stadtrat aufsuchen.»
Augenblicklich wurde Serafina wieder ernst. «Wegen Barnabas?»
«Ich denke schon.»
«Wie dem auch sei …» Grethe drückte ihr den Korb in die Hand und schob sie zur Küche hinaus. «… damit bleibt Zeit genug, den Schaden zu beheben. Und ich werd dich in den Garten begleiten und dir auf die Finger schauen. Sonst reißt du womöglich noch sonst was aus der Erde.»
«Es steht nicht gut um unseren Freund Barnabas», ergriff Catharina nach dem Dankgebet das Wort. Sie hatten das Morgenmahl, anders als sonst, mehr oder minder schweigsam hinter sich gebracht und warteten nun ungeduldig auf den Bericht ihrer Meisterin, die kurz zuvor aus der Ratskanzlei zurückgekehrt war.
«Es sieht ganz so aus, als würden sich nun der Vogt aus der Würi und unser Rat darauf einigen, dass die Freiburger über ihn zu Gericht sitzen. Man will nur noch die Rückkehr von Ratsherr Laurenz Wetzstein abwarten, der bis Montag auf Reisen ist.»
«Dann wird er also bald verurteilt?», fragte Grethe erschrocken. Sie nahm das Schicksal des Bettelzwergs fast ebenso mit wie Serafina.
«Nun – zunächst wird der Fall, ganz wie es unser Freiburger Stadtrecht fordert, sorgfältig geprüft. Es werden also noch Hinweise gesammelt und ausgewertet, Kundschaft über den Angeklagten eingeholt, mögliche Unschuldsbeweise geprüft und was noch alles mehr. Leider hat Barnabas bei seiner ersten gütlichen Befragung wohl hartnäckig geschwiegen, und Zeugen für seine Unschuld waren bislang auch keine aufzutreiben. Gegen ihn spricht natürlich …» Sie seufzte besorgt. «… dass er auf handhafter Tat ertappt worden ist, mit dem Schlüsselbund für die Sakristei der Kapelle in der Hand.»
«Das ist nicht wahr!», fiel Serafina ihr ins Wort, wohl wissend, dass dies ungehörig war. «Von wegen auf handhafter Tat. Barnabas hatte keinerlei Blutspuren an sich, und die Schlüssel hatte er im Gras gefunden.»
Catharina zuckte die Schultern. «Mehr konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen, da das Untersuchungsverfahren üblicherweise im Geheimen und hinter verschlossenen Türen stattfindet.»
«Und wer ermittelt da?», fragte Serafina, wobei sie die Antwort bereits ahnte.
«Als Heimliche Räte sind das die beiden Edlen Sigmund Nidank und Cunrat von Kippenhein, sowie Zunftmeister Laurenz Wetzstein und Metzgermeister Erhard Häsli als deren Beisitzer.»
Serafina verzog das Gesicht. Mit der Erwähnung von Nidanks Namen sah sie alle Hoffnung schwinden. Hatte man da doch den Bock zum Gärtner gemacht.
«Seid versichert», beeilte sich die Meisterin fortzufahren, «dass alle vier ehrbare Männer sind und ihrer Pflicht, nach der Wahrheit zu forschen, ihrem Eid gemäß nachkommen werden.»
Ehrbare Männer! Serafina musste an sich halten, nicht damit herauszuplatzen, was sie über Nidank wusste.
«Was aber geschieht, wenn Barnabas weiterhin schweigt?», fragte sie mit dünner Stimme. Sie glaubte den Bettelzwerg gut genug zu kennen, als dass sie ihm genau das zutraute.
«Nun …» Catharina zögerte. «Schweigt ein Angeklagter auch noch im zweiten Verhör und finden sich nicht mindestens zwei Zeugen zur Entlastung, so darf ihm die Tortur angedroht werden.»
«Die hernach dann ausgeführt wird», vollendete Serafina den Gedankengang. «Zumal Barnabas’ Leumund unter den Geistlichen nicht der beste ist.»
Die Meisterin dachte über ihre Worte nach, dann schüttelte sie den Kopf. «Unser Stadtrecht schließt sehr junge Menschen ebenso wie Sieche, Schwangere und Unsinnige von der peinlichen Befragung aus. Du solltest nicht so schwarzsehen, Serafina. Dass Barnabas nicht ganz richtig im Kopf ist, wird gewiss berücksichtigt.»
«Fragt sich nur …» Dabei dachte Serafina wiederum voller Ingrimm an Nidank. «… ob die Heimlichen Räte einen Unsinnigen nicht plötzlich für geistig gesund erklären. Und dann steht der Marter durch Daumenschrauben und Streckbank nichts mehr entgegen.»
Die anderen Frauen hatten während der ganzen Unterredung betreten geschwiegen. Jetzt aber meldete sich Heiltrud zu Wort: «Was geschieht mit einem, der das alles übersteht und dennoch seine Unschuld beteuert? Weil er nämlich ohne Schuld ist und im Glauben an den Allmächtigen auch noch die qualvollste Pein erträgt?»
«Ja, das soll es schon gegeben haben», gab Catharina zur Antwort, doch es klang nicht sehr überzeugt. «Dann erhält man nach dem Schwur der Urfehde die Freiheit zurück und wird aus der Stadt verwiesen. Allerdings gehört
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