Das Aschenkreuz
Vermögen.»
Achaz winkte ab.
«Falls ich meine Probezeit hier möglicherweise doch zu Ende bringe, so werde ich genug verdienen, um das Ding ersetzen zu können.» Um seine Augen zuckte es schon wieder verschmitzt. «Ich kann ja noch froh sein, dass der andere Kolben heil geblieben ist. Darin befindet sich nämlich Schwefelwasser, und wenn das ausgelaufen wäre, müsste ich die nächste Zeit draußen im Hof schlafen, so ekelhaft stinkt das Zeug.»
Serafina blieb ernst. «Wenn Ihr es nicht wart mit dieser Schmähung – wer könnte noch von meiner Zeit im Frauenhaus wissen? Habt Ihr mit irgendwem darüber gesprochen?»
«So wahr ich hier vor Euch stehe: nein! Aber ich verspreche Euch eines, Serafina. Ich werde es herausfinden. Wenn da einer am helllichten Tag eine Mauer vollschmiert, dann muss das auch jemand beobachtet haben, selbst bei diesem Hundewetter. Im Übrigen solltet ihr Schwestern Anzeige erstatten. Das ist eine Ehrverletzung höchsten Ranges.»
Sie schüttelte den Kopf. Plötzlich kam ihr ein Gedanke: Was, wenn
sie
gar nicht gemeint gewesen war? Womöglich sollte dieser schimpfliche Angriff der gesamten Schwesternsammlung gelten – als Warnschuss zum einen, sich nicht weiterhin für Barnabas einzusetzen, und als Versuch zum anderen, ihr Haus in einen so schlechten Ruf zu bringen, dass man sie vor Gericht als Gnadenbitterinnen gar nicht erst zulassen würde.
«Das Beste wird sein», sagte sie, «wenn wir dem gar keine Beachtung schenken. Sonst bauscht sich das Ganze nur noch mehr auf.» Sie fühlte sich plötzlich erschöpft und ließ sich auf der Bank neben dem Tisch nieder. Unter ihrem nassen Umhang begann sie zu frösteln. «Etwas anderes ist jetzt viel dringlicher. Ich hab gehört, dass auch Ihr für Barnabas sprechen wollt, und das freut mich. Da ist aber noch etwas, was Ihr tun könnt. Wenn der Rat auf Euch zukommt wegen der Exhumierung – und das wird er tun –, dann lasst Euch etwas einfallen, um die Untersuchung des Leichnams zu verzögern. Ihr müsst Zeit schinden, versteht Ihr? Das Gericht muss in die Länge gezogen werden. Das ist der einzige Weg, wie wir Barnabas noch retten können, jetzt, wo er den Hals so gut wie in der Schlinge hat.»
«Keine Sorge, das werde ich tun. Dieser Zwerg wäre der Letzte, dem ich eine solche Tat zutrauen würde.» Er deutete auf einen Krug, der auf der Fensterbank stand. «Wo Ihr nun schon einmal hier seid: Wollt Ihr nicht Euren Umhang ablegen und doch ein Krüglein Wein mit mir trinken? Jetzt, wo wir sozusagen Frieden geschlossen haben?»
Serafina zögerte. Wie er da so vor ihr stand, dieser große, massige Mann mit dem jungenhaften, fast schüchternen Lächeln, bekam sie fast Lust, seine Einladung anzunehmen.
«Nein, ich bin schon viel zu lange hier», wehrte sie schließlich ab. «Wahrscheinlich zerreißt sich unten auf der Gasse längst jemand das Maul über mich. Aber wer weiß – vielleicht ergibt sich ja eines Tages eine andere Gelegenheit.»
Als Serafina ins Haus Zum Christoffel zurückkehrte, hatte es zu regnen aufgehört, und die Schrift über dem Tor war verschwunden. Nur noch ein langgestreckter feuchter Fleck zeugte von der niederträchtigen Tat. In den Häusern der Gasse waren die Handwerker dabei, ihre Werkstätten für den Sonntag aufzuräumen, ein herrenloses Huhn irrte zwischen den Pfützen umher, ansonsten lag das Brunnengässlein wieder ruhig und verlassen.
Sie machte sich sogleich auf den Weg zu Catharina, um ihr plötzliches Fortlaufen zu erklären, doch deren Zimmertür war verschlossen.
«Sie sind alle unterwegs», hörte sie Heiltrud hinter sich sagen. «Kommen erst zum Essen zurück.»
Serafina drehte sich um. Ihre Mitschwester starrte sie mit zusammengekniffenen Augen an.
«Kannst dir ja vorstellen, was hier für eine Aufregung geherrscht hat. Mit ist noch ganz schlecht davon. Unser gottesfürchtiges Haus so in den Dreck zu ziehen.»
«Ist die Meisterin deshalb fort? Wollte sie zur Ratskanzlei?»
«Nein. Mutter Catharina hat uns angewiesen, das Ganze zu vergessen. Wobei mir das sehr schwerfällt. Zum Glück hat Grethe die Mauer wieder sauber bekommen.»
«Mutter Catharina hat recht. Ein dummer Bubenstreich war das, nicht mehr und nicht weniger. Ist Grethe auch weg?»
Liebend gern hätte Serafina in diesem Augenblick ihre Freundin bei sich gehabt.
«Ja. Sie ist zur Kandlerin. Sie liegt wohl im Sterben.»
«Das tut mir leid», murmelte Serafina.
«Ihre Zeit ist längst gekommen. – Hilfst du mir, das Essen
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