Das Aschenkreuz
der Wallfahrtskapelle zu tun?»
Um Bruder Blasius’ Augenlider begann es zu zucken. Auch der junge Mönch starrte sie entgeistert an. Offenbar hatten sie beide mit einer solchen Frage nicht gerechnet.
«Ratsherr Nidank ist ein großer Förderer des geistlichen Lebens im Allgemeinen und unseres Ordens im Besonderen. Und so hat ihm die Stadt die Pflegschaft über die Kapelle übertragen, seinem Einsatz zum Dank ist unser Kirchlein wieder so hübsch hergerichtet worden.» Sein Blick wurde kühl. «Warum wollt Ihr das wissen?»
«Nur eben so. Ich bin doch neu in der Stadt. Wählt Ratsherr Nidank dann auch die Ministranten aus?»
«Nun, ich wüsste zwar nicht, was Euch das anginge, aber sei’s drum.» Seine Gesichtszüge entspannten sich wieder. «Da er in den Jahren zuvor die Pflegschaft über die städtische Lateinschule innehatte, weiß er am besten, wer von den Freiburger Knaben geeignet ist für diese ehren- und verantwortungsvolle Aufgabe. – Im Übrigen …» Er nahm sie zur Seite und führte sie zu einer der Säulen des Kreuzgangs. «… habe ich erfahren, dass Euch der Tod des jungen Hannes Pfefferkorn sehr nahe gegangen ist. Nun, Eure Fähigkeit des Mitgefühls ehrt Euch, doch solltet Ihr Euch auf das beschränken, was Eure Pflicht und Aufgabe ist. Nämlich für die Toten zu beten und den Angehörigen geistlichen Trost zu spenden. Um alles andere braucht Ihr Euch nicht zu kümmern.»
«Und woher habt Ihr das, was Ihr mir gerade unter die Nase reibt? Oder muss das ein Geheimnis bleiben?»
«Keineswegs, Schwester Serafina. Ratsherr Nidank hat mir berichtet, dass Ihr Euch in die medizinische Untersuchung des Leichnams eingemischt hättet. Wenn Ihr in dieser unseligen Angelegenheit noch etwas Gutes tun möchtet, dann betet für die arme Mutter des Jungen.»
Er winkte den jungen Mönch heran.
«Und nun muss ich Euch wirklich hinausbitten, sosehr ich das bedaure. Bruder Immanuel wird Euch zur Pforte geleiten.»
Als sie das Oberrieter Gässlein betraten, hatte es zu regnen begonnen. Sie streiften sich ihre schwarzen Wolltücher über den Schleier und machten sich auf den Weg.
«Was hatte eigentlich der Bursar so im Abseits mit dir zu besprechen?», fragte die Meisterin.
«Er hat mich ermahnt, mich nicht in die Angelegenheiten der Familie Pfefferkorn einzumischen», gab Serafina ausweichend zur Antwort.
«Da bin ich ganz seiner Meinung. Es reicht, wenn wir für Barnabas um Gnade bitten. Nebenbei bemerkt, muss ich dich tadeln, Serafina. Als freundliche Arme Schwester solltest du einem Mönch und Priester mehr Respekt zollen. Und deine Worte gebührender vortragen.»
«Nur weil er ein Mann ist?», entfuhr es Serafina.
«Und deine Blicke solltest du auch mehr im Zaum halten», setzte die Meisterin nach, ohne ihren Einwand zu beachten. «Für dein neues Leben hier bei uns hast du noch einiges zu lernen. Mich wundert, dass Bruder Blasius bei alldem noch so freundlich geblieben ist.»
Serafina biss sich auf die Lippen. Catharina hatte ja recht. Sie konnte mit den Mannsbildern schließlich nicht umgehen, wie sie es von Konstanz her gewöhnt war. Sonst würde sie sich womöglich nur noch selbst verraten.
Sie blieb stehen. «Ehrlich gesagt, glaube ich inzwischen, Blasius hat etwas gegen mich. Seine Freundlichkeit heute war nicht echt. Und hast du bemerkt, wie angespannt der junge Mönch neben ihm war? Als er uns zur Pforte gebracht hat, hat er die ganze Zeit zu Boden gestarrt. Ich hatte fast den Eindruck, als hätte er Angst vor irgendetwas.»
Da wich Catharinas ernste Miene einem Lachen.
«Was dir so alles auffällt! Du bist schon manchmal ein merkwürdiger Mensch, Serafina. Jedenfalls sollten wir uns freuen, dass der Prior einer Gnadenbitte zugunsten von Barnabas nicht abgeneigt ist.»
«Woher kennst du eigentlich den Prior? Ich meine, wo er doch noch gar nicht so lange hier in Freiburg lebt, wie er gesagt hat.»
«Ich kenne ihn schon seit meiner Kindheit. Er ist wie ich in Straßburg aufgewachsen, nur zwei Häuser weiter.»
Bildete es sich Serafina ein, oder war da ein Anflug von Röte über Catharinas Wangen gezogen?
«Wann kann ich zu Barnabas in den Turm?», fragte sie, um schnell das Thema zu wechseln. «Jetzt gleich, falls Grethe zu Hause ist?»
«Ich weiß, dass dir das auf den Nägeln brennt», erwiderte Catharina. «Auch wenn ich kaum glaube, dass etwas dabei herauskommt. Aber trotzdem solltest du bis Montag früh warten. Jetzt ist Feierabend, Ende der Woche, und es sind viel zu viele
Weitere Kostenlose Bücher