Das Aschenkreuz
und in der Großen Gass begegneten sie dem Sauhirten, der die Schweine der Bürger hinauf zur Burghalde trieb.
Serafina betete, dass kein anderer als Endres Wachdienst hatte. Dies in Erfahrung zu bringen, hatten sie nämlich versäumt. Als sie das Christoffelstor erreichten, öffneten sich gerade mit lautem Ächzen die Flügel des Torturms. Sie warteten, bis der Wächter auch noch das Vortor in der Zwingermauer aufgestoßen hatte, dann fragte Serafina mit ihrem liebenswertesten Lächeln nach dem Turmwart.
Der Mann deutete auf das Stübchen, das an den Christoffelsturm angebaut war.
«Der liegt wahrscheinlich noch im Nest und schnarcht.»
Sie mussten mehrfach anklopfen, bis sich die schmale Tür einen Spaltbreit öffnete. Endres’ narbiges Gesicht schaute heraus, ungewaschen und mit zottigem Haar in der Stirn.
«Zwei freundliche Arme Schwestern am frühen Morgen! Wenn das keine Überraschung ist.» Er grinste.
«Gott zum Gruße, Endres. Dürfen wir eintreten?»
«Oha! Ist euch das denn erlaubt, ein Mannsbild in seiner Stube aufzusuchen? Doch halt, dich kenne ich doch. Bist du nicht die Beschützerin unseres kleinen Meuchelmörders?»
«Nicht so laut.» Serafina senkte die Stimme. «Wir haben einen kleinen Handel vorzuschlagen.»
Sie spürte, wie zuwider es ihr war, freundlich zu bleiben. Zumal der Bursche sie einfach duzte. Ihre Finger in der Rocktasche umfassten die Ohrringe.
«Dann nur herein mit Gottes Segen.»
Sie betraten die halbdunkle Kammer, in der gerade mal ein Bett, ein wackliger Stuhl und eine Holztruhe Platz fanden. Der Gestank nach schimmligen Wänden, billigem Fusel und nächtlichen Ausdünstungen raubte einem schier den Atem. Hinzu kam, dass Endres nichts am Leib trug als ein kurzes loses Hemd, und als er sich jetzt bückte, um seine Stiefel aus dem Weg zu räumen, kam sein blanker Hintern zum Vorschein. Fürwahr nicht der angemessene Anblick für eine junge Regelschwester, dachte Serafina und stellte sich vor Grethe. Der Armen war deutlich anzusehen, wie unwohl ihr auf einmal zumute war. Dabei war Grethe ansonsten ganz und gar nicht zimperlich.
«Ihr könntet Euch wenigstens Beinkleider und eine Jacke überziehen», sagte Serafina streng.
«Muss ich das denn?» Mit unverhohlener Begierde musterte er sie. «Gefallen tätet ihr mir beide. Da werd ich mich schwertun mit der Wahl.»
Sie trat entschieden auf ihn zu, so nah, dass sie seinen schlechten Atem roch, und sah ihm direkt in die Augen. Aus Erfahrung wusste sie, dass dies den meisten Männern den Wind aus den Segeln nahm, und der hier war ein ganz gewöhnliches altes Großmaul. Davon abgesehen kannte sie genügend schmerzhafte Kniffe, um sich ein Mannsbild erst mal vom Leib zu halten.
«Schämt Euch! Wenn Ihr Euer Mütchen kühlen wollt, dann gefälligst im Haus Zur Kurzen Freud. Und jetzt hört mir zu.» Sie machte eine vielsagende Pause, ehe sie fortfuhr: «Lasst uns mit Barnabas reden, und es wird Euer Schaden nicht sein.»
«Da möcht ich aber schon zuvor wissen, was ihr mir anzubieten habt.»
«O nein, nicht so voreilig. Unser Angebot erfahrt Ihr, wenn wir bei ihm sind.»
Von draußen wurden Stimmen laut, ein Fuhrwerk polterte vorbei.
«Schade, wirklich schade.» Endres rieb sich missmutig das bärtige Kinn. «Was hab ich nur für ein Pech. Den kleinen Unhold hat man vorgestern Abend ins Loch verlegt. Nicht ohne ihm vorher eine beeindruckende Führung durchs Marterhäuslein zu gönnen.»
«Man hat ihn gefoltert?», stieß Grethe entsetzt hervor.
«Aber nein, das sollte nur die Vorfreude wecken auf das, was noch kommt. Hättest den Zwerg mal sehen sollen. Augen wie Wagenräder hat er bekommen, als der Henker ihm die spanischen Stiefel erklärt hat.»
Ihr Vorhaben war also ganz und gar gescheitert. Dabei hätte es so einfach werden können mit diesem tumben Turmwart. Serafina hätte heulen können vor Enttäuschung, als sie wenig später auf dem Heimweg waren.
«Puh, was bin ich froh, dass wir wieder draußen sind.» Grethe blieb stehen und schüttelte sich. «So ein ekliger Kerl. Wenn der nun über uns hergefallen wäre?»
Doch Serafinas Gedanken waren bei Barnabas. «Was ist das für ein Loch, von dem Endres gesprochen hat?»
«Der Kerker im Keller des Spitals.» Grethe zeigte auf das Heilig-Geist-Spital, das an der Großen Gass einen gesamten Straßenblock einnahm. «Ein finsteres Verlies, viel schlimmer noch als das Gefängnis oben im Turm.»
Unvermittelt blieb Serafina stehen. Standen dort hinten am
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