Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Aschenkreuz

Das Aschenkreuz

Titel: Das Aschenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
Vom Netzwerk:
«Natürlich, Mutter Catharina.»
    Sie betraten die rechte Kammer, deren Tür angelehnt war. Trotz des offenen Dachfensters stand die Luft stickig im Raum, angefüllt mit dem beißenden Geruch von Ausdünstungen und scharfen Arzneien. Es riecht nach Tod, dachte Serafina, als sie an den Betten, die unter die Dachschräge gerückt waren, freundlich grüßend vorübergingen. Doch bis auf die junge Krankenschwester am anderen Ende des Raumes erwiderte niemand ihren Gruß. Reglos lagen die Siechen da, jeweils zu zweit in einem Bett, scheinbar schlafend oder mit starr an die Decke gerichtetem Blick.
    Zu ihrer Anfangszeit hatte die Meisterin sie schon einmal hierher mitgenommen, und so wusste Serafina, dass in dieser mehr als einfachen Dachstube die dem Tod geweihten Armenpfründner lagen. Jene also, die nicht mehr mithelfen konnten bei der täglichen Arbeit und nur noch darauf warteten, dass ihre Schmerzen gelindert würden, bis der Allmächtige bereit war, sie zu sich zu holen. Sie wusste auch, dass die beiden Einzelbetten am Ende der Kammer für diejenigen bereit standen, deren Stunde geschlagen hatte. Heute fanden sich dort ein Greis und eine Greisin, ausgezehrt bis auf die Knochen. Zwischen ihnen kniete die Schwester mit Schüssel und Schwamm und wollte gerade mir der Waschung beginnen.
    «Lass nur, Rosalind. Wir machen das schon.»
    Das Mädchen bedankte sich und zog sich zurück.
    Es fiel Serafina jedes Mal aufs Neue schwer, einem Todgeweihten zur Seite zu stehen – schwerer noch als die Totenwache selbst, wenn denn alles vorüber war. Was nur sollte man diesen Menschen sagen? Was würde auf sie zukommen, nach einem Erdenleben, das zwar voller Irrtümer und Sünden gewesen war, aber auch voll der Glücksmomente, mit Kindsgeburten und Liebesnächten, Hochzeiten und Freudenfesten? Würden im Jenseits wirklich die Qualen des Fegefeuers auf sie warten, oder würden sie in Frieden ruhen bis zum Jüngsten Tag, um dann ihren Gräbern zu entsteigen und gerichtet zu werden? Weniger denn je vermochte sich Serafina diese Frage zu beantworten.
    Nachdem sie Catharina geholfen hatte, die ledrige Haut der beiden Alten von Kopf bis Fuß zu waschen, legten sie zuerst der Frau, dann dem Mann Catharinas kleines Kruzifix in die blaugeäderten Hände, knieten nieder und beteten mit ihnen. Die Greisin lächelte dabei mit geschlossenen Augen, als habe sie keine Angst davor, das irdische Leben zu verlassen.
    Als sich Serafina vom Gebet erhob, sah sie einen krummgewachsenen, wenngleich kräftigen älteren Mann im Türrahmen stehen, mit grauem Vollbart und grauem langem Haar. An seinen Gürtel war ein kurzer, dicker Knüppel geschnallt. Das musste der Stockwart sein. Er sah allerdings nicht so aus wie einer, der aus Lust am Prügeln seinen Stecken zog.
    Geduldig wartete er, bis auch Catharina sich erhob, nachdem sie sich von den Todkranken verabschiedet hatte.
    «Ich komme heute Nachmittag wieder», versprach sie, strich beiden noch einmal sanft über Stirn und Wangen und ging dann mit Serafina an ihrer Seite zur Tür.
    «Danke, dass du gekommen bist, Marx.»
    «Schon recht, Meisterin», entgegnete der Stockwart. In seinem Mund befand sich nur noch ein einziger Zahnstummel. «Worum geht es denn?»
    «Um Barnabas. Ist er einigermaßen wohlauf?»
    «Man hat ihm nix angetan, wenn Ihr das meint. Von den Stockschlägen im Christoffelsturm abgesehen. Dieser Endres ist ein rechter Haudrauf, dem wollt nicht mal ich bei Nacht begegnen.»
    «Ist es wahr, dass Barnabas dort ins Marterhäuslein gebracht wurde? Dass man ihm die Instrumente vorgeführt hat?»
    Marx lachte böse auf. «Ja, davon hab ich gehört. Deshalb gab’s heut auch einen Heidenärger in der Kanzlei, mit dem Vogt von der Würi. Weil nämlich gar nix hätt geschehen dürfen, solang nicht schriftlich festgelegt ist, dass die Freiburger über den Zwerg richten.»
    Serafina horchte auf. Das mochte für Barnabas von Vorteil sein. Womöglich verzögerte sich nun alles erneut.
    «Ist Barnabas allein im Verlies?», fragte Catharina weiter.
    Der Stockwart nickte. «Und glaubt mir, ich behandel ihn nicht schlecht. Aber anderes als Wasser und Brot darf ich ihm nicht geben, und den Aborteimer darf ich auch nur einmal am Tag leer machen.»
    Er schaute reichlich bekümmert drein, und Catharina beeilte sich zu sagen: «Du erfüllst nur deine Aufgabe, das ist schon recht so. War heute jemand von den Ratsherren oder Gerichtsdienern da?»
    «Nur der Büttel. Hat nachgesehen, ob der Barnabas rechtens

Weitere Kostenlose Bücher