Das Aschenkreuz
wirst es für mich herausfinden.»
Das ungeduldige Rasseln von Marx’ Schlüsselbund brachte sie dazu, ein gemeinsames Vaterunser zu sprechen, um sich dann von Barnabas mit einer wehmütigen Umarmung zu verabschieden. Auf demselben Weg, wie sie gekommen waren, folgten sie dem Stockwart nach oben und erreichten schließlich unbehelligt den Flur vor der Putzkammer. Dort atmeten sie erleichtert auf.
«Ich danke dir von ganzem Herzen, Marx.»
Der Stockwart nickte gutmütig. «War mir eine Ehre, Mutter Catharina. Ich verschwind jetzt wieder durch die Kammer. Braucht uns ja keiner zusammen sehen.»
Kurze Zeit später standen sie vor der Seitenpforte des Spitals im hellen Tageslicht. Serafina blinzelte. Ihr war, als hätte sie etliche Stunden in diesem Loch verbracht. Dabei stand die Sonne noch nicht einmal im Mittag.
«Ich fürchte», sagte Catharina leise, «unser Barnabas hält nicht mehr lange durch. Kein Mensch hält das durch – diese Dunkelheit Tag und Nacht, dieser Gestank, das Alleinsein … Dazu angekettet wie ein Stück Vieh.»
In ihren Augen glitzerten Tränen. Serafina hatte sie noch nie weinen sehen.
«Er wird durchhalten.» Serafina versuchte, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. «Jetzt, wo wir bei ihm waren.»
«Mag sein. Aber ansonsten hat es nichts gebracht. Dabei hattest du dir so viel erhofft davon, mit ihm zu reden.»
Serafina sah sie nachdenklich an. «Mein Gefühl sagt mir, dass er uns eine Spur gelegt hat.»
«Dann denkst du also, dass er den Mörder gesehen hat?»
«Fast glaube ich es, ja. Aber ihm nutzt das nichts, weil man einem Narren und Bettelzwerg ohnehin nicht glaubt.»
[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel 23
A uf dem Rückweg vom Spital hatte die Meisterin ihr erlaubt, noch am selben Tag das Münster aufzusuchen – auch wenn man, wie sie zweifelnd ausgeführt hatte, wohl kaum etwas finden konnte, solange man nicht wusste, wonach man suchte.
Serafina war da anderer Ansicht. Wie bei einem Knäuel Garn, das eine junge Katze im Spiel verknuddelt hatte, musste man nur den Anfang und das Ende finden, um es wieder ordentlich aufwickeln zu können. Und sie stand kurz davor, Anfang und Ende zu erkennen, das spürte sie.
Ihr Magen knurrte, als sie sich dem Brunnengässlein näherten. Jetzt erst merkte sie, was für einen Heißhunger sie hatte. Die gemeinsame Morgenmahlzeit hatten sie nämlich versäumt. Nun gut, einen Rest Brei würde man ihnen übrig gelassen haben, und gleich danach wollte sie sich ins Münster aufmachen.
Doch daraus sollte nichts werden. Als sie um die Ecke bogen, sahen sie einen Menschenauflauf vor dem Haus Zum Christoffel, und vom Hof her ertönte aufgeregtes Geschrei.
«Nicht schon wieder», entfuhr es Serafina, doch für diesmal hatte die Aufregung ganz andere Ursachen.
«Da ist die Meisterin!» – «Rasch, kommt!» – «Es brennt bei Euch!», rief die gaffende Meute ihnen zu, und sie begannen zu rennen.
Das Tor stand weit offen, von innen schlug ihnen beißender Qualm entgegen. Eine Handvoll Menschen wirbelte unter aufgeregten Rufen durch den Hof zwischen Regentonne und Hinterhaus, von dem vor lauter Rauch nichts mehr zu sehen war.
«Hierher, schnell!», hörte Serafina Adelheid brüllen, dann klatschte ein Eimer voll Wasser hinter den Torpfosten des Stalls, gleich darauf ein zweiter, der rasch herbeigeholt war. Eine neue Qualmwolke stieg auf und brachte sie zum Husten.
Plötzlich glaubte sie, durch all das Getöse hindurch ein Wimmern und Ächzen zu vernehmen. Es kam vom Abort, ihrem «heimlichen Örtchen», das sich in dem schmalen Spalt zwischen Hofmauer und Werkstatt über einer Grube befand.
Ohne nachzudenken zog sich Serafina ihr Tuch vor Mund und Nase und stolperte hinein in die dunkle Rauchwand, während sie sich mit ihrer Linken an der Mauer entlangtastete.
«Ist da wer?»
Unversehens prallte sie gegen die Lattentür des Abtritts, riss sie auf und sah schemenhaft eine Gestalt auf dem Boden kauern. Es war Heiltrud, die jetzt, unter dem eindringenden Qualm, zu husten und zu würgen begann.
«Halt den Atem an!»
Sie riss die Gefährtin hoch und zerrte sie hinter sich her zurück in den Hof bis vor das Tor, wo sie beide nach Luft ringend in die Hocke sanken. Heiltrud lehnte sich an ihre Schulter und schloss die Augen.
«Heiltrud! Komm zu dir!» Serafina klopfte ihr gegen die schmutzigen Wangen, als auch schon die Meisterin zur Stelle war.
«Um Himmels willen – was ist mit ihr?»
«Sie hatte sich auf den Abtritt
Weitere Kostenlose Bücher