Das Aschenkreuz
spürt Ihr nichts mehr.»
«Das hätt ich Euch gar nicht zugetraut. Seid Ihr nun eigentlich Wundarzt oder Gelehrter?»
«Beides zusammen. Und nun kommt mit an die Haustür, damit wir uns keinen Verdächtigungen aussetzen, so allein in der Küche.»
Serafina bemerkte jetzt erst, dass die Meisterin den Raum bereits verlassen hatte.
«Zuerst will ich wissen, was es so Unerhörtes gibt, dass Mutter Catharina den Bürgermeister aufsuchen will.»
«Habt Ihr etwa gelauscht?»
Sie musste fast lachen. «Hätt ich gelauscht, bräuchte ich Euch nicht mehr zu fragen. Also?»
«Ich hab herausgefunden, wer ‹Hurenhaus› auf Eure Mauer geschmiert hat. Das war überraschend leicht, ich musste nur lange genug hier in der Gegend herumfragen.»
«Wer war es?»
«Der Kerl war so blöd, dass er sich nicht mal vermummt hatte. Hatte sich wahrscheinlich bloß vergewissert, dass er allein in der Gasse war, und dann losgelegt. Dabei hat ihn ein Taglöhner, der für einen der Schuhmacher hier arbeitet, beobachtet.»
«Jetzt lasst mich nicht so zappeln, Achaz!»
«Es war Diebold Pfefferkorn.»
«Nein!»
«Gestern nun hab ich ihn zur Rede gestellt, und er wollte natürlich nichts zugeben. Als ich ihn ein wenig unter Druck setzte, hat er sich herausgeredet mit Ausflüchten wie: Er habe an einem durchzechten Abend mit Freunden darauf gewettet, als eine Art Mutprobe, und es tue ihm leid, eine solche Dummheit begangen zu haben. So habe ich es im Übrigen auch Eurer Meisterin weitergegeben, als bösen Schelmenstreich nach einer Wette unter Halbstarken.»
«Aber warum? Warum gerade unser Haus? Da muss doch noch jemand anderes dahinterstecken?»
«Eben das hab ich auch gedacht.» Er trat zum offenen Fenster und sah hinaus, um sich zu vergewissern, dass die Frauen allesamt im Hof waren. Dann fuhr er mit gesenkter Stimme fort:
«Und genau deshalb hab ich mir den Kerl heute früh noch ein zweites Mal vorgeknöpft. Ihr müsst wissen, dass ich Pfefferkorns Frau ärztlich betreue, seit sie durch Hannes’ Tod einer tiefen Melancholie verfallen ist. Nachdem ich mit der Visitation von Walburga Wagnerin also fertig war, hab ich mir Diebold zur Brust genommen und ihn vor die Wahl gestellt: Entweder würde ich auf der Stelle sowohl seiner Mutter als auch dem Bürgermeister von dem Streich erzählen, oder aber er würde mir die Wahrheit sagen – nämlich wer tatsächlich dahintersteckt. Dann wäre er obendrein die Verantwortung für diese üble Ehrverletzung los. Da hat er dann ganz schnell ausgepackt.»
Er machte eine vielsagende Pause, doch Serafina glaubte die Auflösung ohnehin zu wissen.
«Das war ein geschickter Spielzug von Euch», sagte sie anerkennend. «Diebold will nämlich nichts lieber als seiner Mutter gefallen. – Lasst mich raten: Der Anstifter war Sigmund Nidank.»
Achaz grinste breit. «Das hatte ich auch vermutet. Um nämlich Euren Ruf zu schädigen. Übrigens ist da noch etwas, das Euch sehr erleichtern wird.» Er beugte sich zu Serafina herunter, so dicht, dass sein Atem ihr Ohr kitzelte. «Diebold hatte den Auftrag, irgendeine Beleidigung auf die Mauer zu schmieren, die Eure Sammlung in Misskredit bringen sollte. Das mit dem Hurenhaus war allein auf seinem Mist gewachsen. Niemand weiß also von Eurer Vergangenheit.»
Serafina tat, als hätte sie diesen letzten Satz überhört, obgleich ihr fürwahr ein Stein vom Herzen fiel. Sie trat einen Schritt zurück und sagte: «Alsdann, sprecht weiter.»
«Wir waren beide auf dem Holzweg. Sigmund Nidank war es nicht.»
Das verblüffte Serafina nun doch. «Wer dann?»
«Der Auftrag kam von einem der Wilhelmitenmönche. Von wem genau, wollte oder konnte Diebold nicht verraten. Aber wenn Ihr wollt, werde ich auch das herausfinden.»
Für einen Augenblick war sie sprachlos. Nach einer Pause sagte sie leise: «Danke, Achaz, dass Ihr mir all das so offen erzählt habt. Jetzt wird mir einiges klar.»
«Wie meint Ihr das?»
«Nichts, nichts – vergesst es», wehrte sie ab. «Gehen wir hinaus zu den anderen.»
Er nickte, und sie ging voran.
«Beinah hätte ich’s vergessen», hörte sie ihn hinter sich sagen. «Freitag früh werde ich den Leichnam ausgraben, und ich wäre sehr froh, wenn Ihr dabei wärt. Wegen der Gebete. Keine Sorge, Ihr werdet nichts von den Gebeinen zu sehen bekommen.»
Sie blieb stehen, ohne sich umzudrehen. «Das geht leider nicht. Ich habe schon etwas Wichtiges vor.»
«Aber ich habe die Meisterin bereits um Erlaubnis gebeten, und sie hat
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